Bekomme einen Einblick in die persönlichen Werkzeuge von Johanna
Name: Johanna Goliszewski – Badminton-Einzelbundestrainerin am Stützpunkt in Mülheim a.d.R.
Alter: 35
Sportart: Badminton
Thema Wettkampfvorbereitung:
Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag vor dem Wettkampf vor? Was machst du für dich und warum?“
Johanna: „Ich gucke Videos, frage meinen Athleten, was er oder sie noch braucht und bereite einen Spiel- und Coachingplan vor. Jeder Athlet braucht unterschiedliche Sachen in der Wettkampfsituation je nach Persönlichkeit geht es zum Beispiel mal mehr um Handlungsstrategien, mal mehr um Motivation und Sicherheit. Wenn ich mich vorher auf den Spieler einstelle, dann kann ich viel selbstbewusster in ein Spiel gehen, als wenn ich meinen Coachingschuh jedem drüber stülpe und hoffe, dass es passt.“
Sebastian: „Danke für diese tollen Einblicke. Das ist sicherlich für viele spannend zu erfahren. Und wie verbringst du den Abend vor dem Wettkampf? Gibt es da etwas, auf das du selbst achtest für deine Vorbereitung?“
Johanna: „Ich achte darauf, dass ich mich energiereich fühle, damit ich selber meine beste Leistung bringen kann. Eine optimale Vorbereitung ist für mich mindestens genauso wichtig, wie es für den Sportler auch sein sollte. Ich bereite die Spiele vor, gehe früh ins Bett, stehe früh auf, um Sport zu machen, esse mein Frühstück und fühle mich dann bereit für den Tag.“
Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag des Wettkampfs auf den Start vor? Was machst du für dich und warum?“
Johanna: „Wenn ich weiß, was der Athlet braucht, dann suche ich nach Wegen, um das gut zu unterstützen und umzusetzen. Mir persönlich gibt es immer viel Sicherheit, einen strategischen Plan gegen die Gegner zu haben, was aber nicht bedeutet, dass der Athlet das in dem Wettkampf braucht.“
Sebastian: „Und wie sieht dann deine Tagesstruktur an dem Wettkampftag aus? Gibt es da Aktivitäten, die wichtig für dich sind?“
Johanna: „Die Tagesstruktur ist von der Anzahl der Spieler abhängig. Der Zeitplan und die Spielreihenfolge dienen da natürlich als Richtlinien, um drum herum Vor- und Nachbesprechungen zu planen, Gegner zu analysieren oder wie gesagt, mal was zu essen.“
Sebastian: „Was machst du die letzten Minuten, um dich auf den Wettkampf vorzubereiten? Was genau machst du bewusst oder unbewusst, um dich so richtig auf den Wettkampf einzustellen? Nutzt du bestimmte mentale Werkzeuge, Verhaltensweisen oder Vorgehen dazu?“
Johanna: „Wie oben schon erwähnt, liegt ganz viel Fokus auf dem Athleten. Ich halte aber immer ein Notizblock parat, weil ich mir während des Spiels immer Notizen mache. Die Notizen nutze ich vielleicht nicht immer für das Match, aber für eine Matchnachbereitung kann es sehr informativ und gewinnbringend sein.“
Thema Motivation:
Sebastian: „Was sind deine Ziele als Trainerin? Was motiviert dich, damit du die Mühen aufnimmst?“
Johanna: „Ich war selbst Profisportlerin. Das Gefühl seine höchsten sportlichen Ziele zu erreichen, in ein Olympisches Stadion einzulaufen, ein entscheidendes Spiel zu gewinnen, das sind Erlebnisse, die ich erstens jedem Athleten wünsche und zweitens sind das Erlebnisse, die mit keinem Geld der Welt bezahlbar sind. Meine Motivation ist es, dass ich viele Athleten zu diesen Ereignissen begleiten kann. Unmögliches gemeinsam doch möglich zu machen.“
Sebastian: „Wen würdest du gerne mal trainieren?
Johanna: „Eintracht Frankfurt. Würde gerne ein paar Fußballer übers Feld scheuchen.
Sebastian: „Das war definitiv nicht die Antwort, die ich erwartet habe (lacht). Was machst du, wenn du vor einem Training mal keine Motivation hast?“
Johanna: „Da ich jeden Morgen dankbar bin, das tun zu dürfen, was mich erfüllt und Spaß bereitet, habe ich diesen Zustand noch nicht gehabt. Sollte ich das doch mal erfahren, würde ich mir bewusst meine Ziele nochmal vor Augen holen (VisionBoard).“
Sebastian: „Darf ich fragen, was ein Vision Board für dich ist?“
Johanna: „Auf meinem Visionboard habe ich all die Sachen zusammengetragen, für die ich jeden Tag arbeite und wonach ich strebe. Einiges habe ich mir schon erfüllt, anderes ist Vergangenheit und kommt weg, neue Visionen kommen dazu. Ich bin ein Mensch, der gerne in Bewegung bleibt, sich weiterentwickelt und Stillstand nicht so mag. Dazu gehören aber nicht nur sportliche Erfolge, sondern auch Sachen wie private Zufriedenheit, was macht mich glücklich, was will ich noch lernen, was möchte ich noch erfahren und erleben.“
Thema Persönlich:
Sebastian: „Was würdest du deinem 14-jährigen Ich für einen Tipp geben, den du damals hättest gebrauchen können?“
Johanna: „Entspann dich, mach auch mal was anderes.“
Sebastian: „Darf ich fragen warum?“
Johanna: „Ich war immer ein Energiebündel und habe ab und zu übertrieben und nicht gemerkt, wenn ich über das Ziel hinausgeschossen bin. Ich habe erst spät gelernt, dass auch in der Ruhe Kraft liegen kann und der Tank irgendwann leer ist, wenn man immer nur Vollgas gibt.“
Sebastian: „Wann war der Punkt als du dich für den Leistungssport bzw. für eine professionelle Karriere entschieden hast? Was war der Auslöser bzw. Grund?“
Johanna: „Ich habe den Sprung in den Seniorenbereich leider nicht (oder Gott sei Dank) im direkten Anschluss an die Jugend geschafft. Nach der Jugendnationalmannschaft war für mich erstmal Schluss mit dem Leistungssport. Ich fing mein Studium Pädagogik/ Psychologie an und habe Badminton nur noch hobbymäßig gespielt. Es war eine super Zeit, denn ich hatte endlich mal den Raum für andere Sportarten wie Tennis, Fußball oder Yoga. Bei der Studenten-WM (eher ein Spaßturnier) hat mich der damalige Bundestrainer Boris Reichel gesehen und gefragt, ob ich das nicht mal ernsthaft probieren will, was bedeutet hätte, dass ich von Frankfurt nach Mülheim an der Ruhr umziehen musste. Da mir das Studentenleben sehr viel Spaß bereitet hat und ich mich in Frankfurt sehr wohl gefühlt habe, habe ich gesagt, dass ich mir das Leben in Mülheim erst einmal angucken muss. Glücklich sein und sich wohl fühlen, waren und sind für mich sehr wichtige Attribute….fürs Leben allgemein und noch viel wichtiger, wenn man Höchstleistung bringen will – egal in welchem Bereich.“
Sebastian: „Und dann hat es dir gefallen?“
Johanna: „Mir hat es extrem gut gefallen wie professionell und intensiv gearbeitet wurde am Stützpunkt. Ab dann war mir klar, ich geh All in, ziehe nach Mülheim und versuch das Beste aus mir rauszuholen. Jeden Tag – bis ich die Nr. 1 in Deutschland bin und die Olympiaquali geschafft habe, was mir dann auch gelungen ist.“
Sebastian: „Was machst du morgens, um gut in einen Tag zu starten?“
Johanna: „Dankbar sein. Atemübungen. Mit meinen Hunden laufen. Kaffee trinken.“
Sebastian: „Welcher Spruch, Buch oder Mensch hat dich am meisten beeinflusst auf deinem Weg?“
Johanna: „Spruch: Des Glückes Tod ist der Vergleich. Buch: Der Pfad des friedvollen Kriegers.“
Sebastian: „Das Buch finde ich auch super. Und der Spruch ist wirklich wertvoll. Den habe ich mir gerade mal notiert. Wie suchst du dir denn deinen Ausgleich zum Sport? War das immer so oder hat sich das im Laufe der Zeit verändert?“
Johanna: „Ich musste das erst lernen. Ich war immer der Typ Sportler, der gestoppt werden musste. Ich habe mir dann feste Restdays eingelegt. Seitdem ich meinen Hund habe, fällt es mir auch wesentlich leichter nicht ständig in der Halle zu sein.“
Thema Fokus:
Sebastian: „Wodurch verlierst du den Fokus im Wettkampf oder Training? Fehlversuch eines Athleten, Schiedsrichterentscheidung…?“
Johanna: „Wenn das Fass zu voll ist und meine To Do-Liste zu lang wird, dann schweifen meine Gedanken ab und zu ab.“
Sebastian: „Wie findest du dann wieder den Fokus? Gibt es ein Werkzeug, ein Verhalten oder Vorgehen, dass du da nutzt?“
Johanna: „Ganz klare Prioritäten setzen und zu Nebenschauplätzen auch mal nein sagen.“
Sebastian: „Und falls die Gedanken dann doch mal zu deinen To Dos wandern? Wie bringst du den Fokus vor oder im Training zurück?“
Johanna: „Entweder ich erledige das kurz oder mache mir eine Notiz, dass ich die Dinge angehe, damit sie eben keinen Raum im Trainingsprozess einnehmen. So habe ich mich kurz damit auseinandergesetzt, kann den Fokus aber wieer auf das Training lenken.“
Thema nach dem Wettkampf:
Sebastian: „Was machst du direkt nach dem Wettkampf? Wie bereitest du einen Wettkampf nach?“
Johanna: „Ich gucke zum einen in mein Notizbuch, da stehen die Sachen drin, die ich während des Wettkampfs als wichtig empfunden habe. Ich spreche mit allen Athleten nochmal nach, um direkt schon weitere Themen für die nächsten Trainings oder Wettkämpfe festzuhalten. Falls es Videos gibt von den Athleten, die ich näher betreue, dann werte ich diese aus und bespreche sie spätestens in der Folgewoche mit ihnen.“
Sebastian: „Wie lange denkst du noch an einen Wettkampf nachdem er vorbei ist?“
Johanna: „Das kommt ganz drauf an. Generell bin ich eher der Typ „Wir gucken nach vorne und nicht so lange zurück“. Allerdings lernen wir sehr viel aus der Vergangenheit, können den Rucksack mit Erfahrungen vollstopfen und jedes Mal ein Stückchen wachsen und ggf. darauf zurückgreifen. Wir neigen leider oftmals dazu, schlechte Wettkämpfe tot zu analysieren und Erfolge werden in meinen Augen zu wenig gefeiert und durchleuchtet. Das versuche ich besser zu machen. Was hat gut geklappt? Mit welcher Beinarbeit habe ich Punkte erzielt? Welcher Schlag war besonders gut?“
Sebastian: „Den Ansatz finde ich super. Dann ist die nächste Frage aber ja eher nicht passend, oder?“
Johanna: „Finde ich okay..“
Sebastian: „Wie gehst du mit einer Niederlage/ schlechten Wettkampf um? Gibt es etwas Systematisches?“
Johanna: „Das einzig wirklich Systematische ist der Austausch mit meinem Athleten. Da zu sein in Situationen, die sich nicht gut anfühlen, in Momenten, wo der Athlet an sich zweifelt oder bitter verliert, sind für mich fast wichtiger als bei Erfolg da zu sein. Er/ sie soll das Gefühl haben, dass ich vollstes Vertrauen in seinen/ unseren Weg lege, auch wenn es sich manchmal wie eine Achterbahnfahrt anfühlt.
Das wahre Gesicht zeigt sich oft in schwierigen Momenten und in Drucksituationen, die haben wir als Trainer natürlich genauso.“
Sebastian: „Wie gehst du mit einem Sieg/ guten Wettkampf um? Gibt es hier etwas Systematisches?
Johanna: „Siege werden bei mir gefeiert. Jeder soll seinen eigenen Weg des Feierns finden und sich bewusst machen, wie geil das ist Heim zu gehen mit dem Wissen: „Heute war ich der oder die Beste.“ Das Selbstbewusstsein zu haben: „Ich fahre auf das Turnier, um es zu gewinnen!“ – das hat nicht jeder. Ich hatte das auch nicht, habe es mir aber erarbeitet und dann ist der Umgang mit einer Drucksituation (z. B. Olympiaquali) auch deutlich einfacher, weil ich mir Selbstbewusstsein erarbeitet habe. Zu gewinnen und Erfolgserlebnisse zu haben, stärkt das Urvertrauen in sich und seine Tätigkeit.“
Thema Leadership:
Sebastian: „Wie gehst du mit Fehlern von Athleten um? Hat sich dieser Umgang bei dir über die Jahre verändert?“
Johanna: „Ich bin zwar noch nicht so lange als Trainerin tätig, aber eins kann ich sagen: Ich bin viel entspannter und geduldiger als damals als Sportlerin. Fehler gehören für mich vor allem dazu, wenn wir etwas verschärfen wollen, wenn wir an unserer Gefährlichkeit arbeiten oder kreativer werden. Früher waren Fehler für mich Tabus und Störfaktoren. Jetzt sehe ich sie auch als Teil vom Entwicklungsprozess.“
Sebastian: „Was ist das Erste, was du machst, wenn du eine Mannschaft/ einen Sportler übernimmst?“
Johanna: „Ich stelle mich kurz vor und bringe einen lockeren motivierenden Spruch. Frage, ob wir zusammen 120 % geben wollen und trete dann zeitnah in die erste Aktion.“
Sebastian: „Worauf legst du besonderen Wert bei der Beziehung zu einer Mannschaft/ einem Sportler?“
Johanna: „Vertrauen. Vertrauen, dass wir beide alles geben für das Ziel, Vertrauen zu sagen, wenn was nicht stimmt, Vertrauen ineinander, Vertrauen in den Weg und Vertrauen in sich selbst.“
Sebastian: „Was tust du, damit dein Athlet 100 % gibt?“
Johanna: „Ich habe das Glück, dass die meisten Athleten, die ins Training kommen genauso heiß sind wie ich. Wenn es mal nicht so ist, versuche ich sie abzuholen, wo sie gerade sind und sie zu triggern, die Motivation entflammen zu lassen. Oft klappt das gut, manchmal aber auch nicht. Da hilft tatsächlich Abstand, ich schick die Leute dann bewusst Heim und so kann 20 % Distanz wieder zu 100 % Motivation führen.“
Sebastian: „Wie bereitest du ein Feedback an einen Sportler im Training oder Wettkampf vor? Ist das spontan oder durchdacht? Wie gehst du vor?“
Johanna: „Es gibt feste Termine zu Spielergesprächen, die sind vorbereitet und durchdacht. Da geht es viel darum abzugleichen, wie war der Stand vor einem halben Jahr, was hat sich entwickelt, was hat sich geändert, wo soll der Fokus im nächsten halben Jahr sein. Es gibt aber auch genügend Alltagssituationen, wo ich spontan mit den Athleten rede. Der regelmäßige Austausch und die Kommunikation sind mir sehr wichtig.“
Sebastian: „Wie wichtig ist dir Feedback durch deine Sportler? Wie holst du es gegebenenfalls ein?“
Johanna: „Ich frag immer wieder, was ich machen kann, um sie noch besser zu unterstützen und ob ich etwas verbessern kann.“
Wichtiger Hinweis: Die Teilnahme des Gasts an der Sport-Runde lässt keine Rückschlüsse darüber zu, ob eine sportpsychologische Zusammenarbeit mit Sebastian Altfeld besteht. Es ist lediglich ein Zeichen dafür, dass der*die Sportler*in/Trainer*in die dankenswerte Bereitschaft zeigt, die eigenen Ansichten und Ansätze zu teilen.
Ein sehr tolles Interview mit Johanna . Danke für die Einblicke in ihr handeln und denken . Ich wünsche ihr alles Gute bei ihrer Arbeit als Trainerin . Gruß Nicole B.