Bekomme einen Einblick in die persönlichen Werkzeuge von Andreas
Name: Andreas Seiferth – Basketball-Nationalspieler und Basketball-Profi bei Medi Bayreuth
Alter: 31
Sportart: Basketball-Profi bei Medi Bayreuth (1. Bundesliga Deutschland)
Thema Wettkampfvorbereitung:
Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag vor dem Wettkampf vor? Was machst du für dich und warum?“
Andreas: „Ich probiere, die ein oder andere Routine zu haben und mich möglichst unter gleichen Voraussetzungen auf jeden Wettkampf vorzubereiten. Das bedeutet für mich vor allem, ausgeruht und mit Energie in den Wettkampf zu gehen. Das richtige Essen und genügend Schlaf helfen mir dabei, mich im Wettkampf konzentrieren zu können.
Im Vormittagstraining übe ich ein paar Bewegungsabläufe, die ich auch im Spiel oft nutzen werde. Dabei konzentriere ich mich mehr darauf, dass ich selbst ein gutes Gefühl für die Bewegungen habe und mit Selbstvertrauen auftreten kann und nicht zu sehr auf meinen potentiellen Gegner.
Zu viele Routinen haben bei mir jedoch eher negative Auswirkungen und fördern die Nervosität, wenn sie nicht wie gewollt durchgezogen werden.
Wenn es statt Nudeln doch Reis im Hotel gibt oder mal nicht genügend Zeit für ein umfangreiches Wurfprogramm ist, sollte ich deshalb kein schlechtes Gefühl bekommen.“
Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag des Wettkampfs auf den Start vor? Was machst du für dich und warum?“
Andreas: „Auch hier achte ich darauf, früh in der Halle zu sein und genug Zeit für die Vorbereitung zu haben. Vor dem eigentlichen Aufwärmen mit der Mannschaft absolviere ich ein individuelles Aufwärm- und Dehnprogramm, bevor ich wieder ‚meine’ Bewegungen trainiere.“
Sebastian: „Danke für die tollen Einblicke. Manche Sportler hören auch Musik, um zum Beispiel die Gedanken vom Spiel abzulenken. Machst du auch sowas am Spieltag?“
Andreas: „Während der Vorbereitung Zuhause oder im Hotelzimmer läuft immer Musik. In der Halle selbst suche ich eher das Gespräch mit den Mitspielern und begebe mich nicht zu sehr in meinen eigenen Tunnel.“
Sebastian: „Was machst du die letzten Minuten, um dich auf den Wettkampf vorzubereiten? Was genau machst du bewusst oder unbewusst, um dich so richtig auf den Wettkampf einzustellen?“
Andreas: „Kurz vor dem Tip-Off gehe ich kurz in mich und schließe die Augen. So gehe ich nochmal kurz ein paar Abläufe und Spielsysteme durch.
Konkrete Zielvorgaben bezüglich Punkten oder Rebounds mache ich mir dabei nicht, sondern probiere, das Spiel auf mich zukommen zu lassen.“
Sebastian: „Kommt es nach so vielen Jahren auch noch vor, dass du aufgeregt bist? Und was machst du dann, wenn du zu nervös bist?“
Andreas: „Ein gewisses Maß an Aufregung hilft mir sogar, mich zu fokussieren. Mir passieren zum Start eines Spiels oder nach einer Einwechslung eher ‚Flüchtigkeitsfehler’ wenn ich ohne Fokus und lasch aufs Feld komme. Das Gefühl, zu aufgeregt zu sein, hatte ich ehrlich gesagt lange nicht.“
Thema Motivation:
Sebastian: „Was machst du, wenn du im Training mal keine Motivation mehr hast?“
Andreas: „Meistens versuche ich dann, etwas Spaß ins Training zu bringen. Kurze Gespräche oder Wettkämpfe mit den Mitspielern fördern die Motivation wieder von allein.“
Sebastian: „Wie gehst du da mit dir um, wenn du im Training mal keine Motivation mehr hast?“
Andreas: „Wenn mir über längere Zeit die Motivation fehlen sollte, setze ich mir neue Ziele. Suche mir neue Aufgaben für mein individuelles Training, studiere sowohl meine eigenen als auch fremde Spiele als Inspiration oder spreche mit meinen Teamkollegen darüber.“
Thema Persönlich:
Sebastian: „Was würdest du deinem 14-jährigen Ich für einen Tipp geben, den du damals hättest gebrauchen können?“
Andreas: „Lass dich nicht von deinen Trainern auf eine Position festnageln, sondern probiere dein Spiel breiter zu entwickeln.“
Sebastian: „Wann war der Punkt als du dich für den Leistungssport bzw. für eine professionelle Karriere entschieden hast?“
Andreas: „Auch wenn ich schon mit 15 vom Umfang und der Intensität her wie ein Leistungssportler trainiert habe, habe ich mich aktiv erst nach dem Abitur mit 17/18 Jahren dafür entschieden. Die Aussicht, mein Hobby zum Beruf zu machen und in meiner Heimatstadt meine professionelle Karriere zu starten, waren sehr verlockend.“
Sebastian: „Was machst du morgens, um gut in einen Tag zu starten?“
Andreas: „Da habe ich kein spezielles Rezept. Allgemein hilft es mir, eher etwas früher auszustehen und dann entsprechend mehr Zeit für Frühstück und Co. zu haben. Aber auch mit weniger Zeit bin ich eher ein Morgen-Mensch und habe selten Probleme, gut in einen Tag zu starten.“
Sebastian: „Warum hast du dich entschieden hier meine Fragen zu beantworten?“
Andreas: „Um etwas von meinen Erfahrungen zurückzugeben und Sportlern dabei zu helfen, ihren eigenen Weg zu finden um erfolgreich zu sein. Vielleicht findet der ein oder andere hier Tipps, die sie oder ihn weiterbringen.“
Sebastian: „Welcher Spruch, Buch oder Mensch hat dich am meisten beeinflusst auf deinem Weg?“
Andreas: „Auch wenn er etwas abgedroschen klingt, beschreibt für mich ‚hard work pays off’ ganz gut, wie man durch Disziplin und Einsatz seine Ziele erreichen kann. Gerade im Sport beansprucht das Training des eigenen Körpers und der eigenen Fähigkeiten oft Zeit und zieht einen langen Prozess mit sich. Mir ein Ziel vor Augen zu führen, das sich lohnt, hat mich zu einigen Extraschichten motiviert.“
Sebastian: „Darf ich fragen, was dein Ziel da war? Waren es unterschiedliche? Und wie hast du dir das Bild vor Augen geführt besonders in schwierigen Phasen? Gedanklich oder tatsächlich durch ein Bild an der Wand?“
Andreas: „Die Ziele haben sich im Laufe meiner Karriere angepasst. Erst war es der Sprung in einen BBL-Kader, dann Spielzeit, …, dann eine feste Rolle in der Nationalmannschaft. Mir hat es geholfen, die Ziele zum Beispiel vor einer Saison aufzuschreiben. Nicht unbedingt um sie jeden Tag anzubeten, eher um sie überhaupt zu formulieren.“
Sebastian: „Was machst du in deiner Freizeit, wenn du kein Training/Wettkampf hast? Warum machst du das? War das schon immer so?“
Andreas: „An freien Tagen lenke ich meinen Fokus auch schon mal weg vom Basketball, um den Kopf frei zu kriegen. Gerade nach verlorenen Spielen brauche ich manchmal etwas Abstand, damit ich negative Gefühle nicht zu lang mit mir herumtrage.
Auch mein Studium hilft mir dabei, den Fokus temporär woanders hinzulenken.
Dieses aktive Abstandnehmen musste ich mir erst aneignen. In früheren Jahren meiner Karriere stand ich auch in der freien Zeit immer in der Halle und habe versucht, mir negative Gedanken weg zu trainieren. Das war nicht immer konstruktiv.“
Sebastian: „Darf ich fragen, inwieweit es nicht immer konstruktiv war?“
Andreas: „Man kam zum Teil in eine Art Über-Training und war dazu auch mental verkrampft. Nach dem Motto: „Wieso klappt es immer noch nicht, ich habe doch schon jede freie Minute daran gearbeitet?“ Weniger kann in diesem Fall auch mehr sein.“
Thema Misserfolg:
Sebastian: „Wodurch verlierst du den Fokus im Wettkampf oder Training? Fehlversuch, Schiedsrichterentscheidung…?“
Andreas: „Den Fokus verliere ich meist nur durch meine eigene Reaktion auf die genannten Punkte. Auch hier durchlief ich mit der Zeit einen Lernprozess. Mittlerweile probiere ich den Fokus konstant auf mich zu richten und über abgeschlossene Aktionen nicht weiter nachzudenken, da diese sonst die folgenden Aktionen auch negativ beeinflussen.“
Sebastian: „Wie findest du nach einem Fehler oder Misserfolg wieder den Fokus?“
Andreas: „Indem ich mir gar nicht erst die Zeit nehme, im Spiel darüber nachzudenken. Das Umschalten zwischen Angriff und Verteidigung erfolgt zu schnell, um sich jeden Fehler zu Herzen zu nehmen. Wenn sich innerhalb eines oder mehrerer Spiele die Fehler häufen, studiere ich die Szenen nochmal via Video und probiere dann im Training daran zu arbeiten.“
Sebastian: „Wie setzt du dieses „nicht weiter nachdenken“ um? Hast du da eine Technik? Oder ist das die bewusste Entscheidung gewesen, dass das aufregen die nichts bringt?“
Andreas: „Das ist eher eine bewusste Entscheidung gewesen, nach der Einsicht, dass sich der fehlende Fokus auf mein Spiel auswirkt. Nach missglückten Situationen sage ich mir innerlich „weiter geht’s“ oder „sch… drauf“. Mit der Zeit hat mir das geholfen, lockerer in die folgenden Situation zu gehen.“
Sebastian: „Was bedeutet für dich ein Fehler oder Rückschlag im Training oder Wettkampf? Gibt es Unterschiede zwischen Training und Wettkampf?“
Andreas: „Fehler im Training fallen definitiv weniger ins Gewicht. Meines Erachtens sollte man Situationen im Training auch anspruchsvoll simulieren, um eine Entwicklung zu provozieren. Je mehr Situationen man im Training gemeistert hat, desto geringer wird die Fehlerquote im Spiel sein. Das bedeutet nicht, dass im Training weniger Fokus gefragt ist. Die Trainingszeit ist aber dafür da, neue Sachen zu erlernen, Taktiken zu automatisieren und Fehler zu machen, die man sich im Wettkampf nicht erlauben kann. Erfolgreiche Spiele machen dabei auch Fehler, nur wiederholen sie diese nicht so oft wie der Rest.“
Sebastian: „Hat sich diese Bedeutung verändert?“
Andreas: „Die Angst davor, Fehler zu begehen hat sich verändert. Ich hatte früher den Eindruck, dass Fehler von jungen Spielern eine größere Bedeutung zugekommen ist. Das war für die Entwicklung nicht förderlich, da Fehler Teil einer Entwicklung sind. Die Angst vor Fehlern hemmt den Prozess eher, daher ist auch von Trainerseite an manchen Stellen ein Umdenken nötig, damit die Kreativität von Spielern gefördert wird.“
Sebastian: „Danke für diese Sichtweise. Ich glaube, die ist sehr wertvoll für Sportler und Trainer.“
Thema nach dem Wettkampf:
Sebastian: „Was machst du direkt nach dem Wettkampf? Wie bereitest du einen Wettkampf nach?“
Andreas: „Videostudium gehört nach jedem Wettkampf dazu. Der Umfang bestimmt sich wie oben angedeutet auch nach dem Wettkampfergebnis. Persönlich schaue ich mir eher gelungene Aktionen an. Diese helfen mir, Lösungen auch für nicht erfolgreiche Situationen zu finden. Die Nachbereitung hilft auch direkt bei der Vorbereitung auf den nächsten Wettkampf, die Visualisierung der Abläufe hilft mir bei der Automatisierung der Bewegungen, die ich anschließend im nächsten Training trainiere.“
Sebastian: „Wie lange denkst du noch an einen Wettkampf nachdem er abgeschlossen ist?“
Andreas: „Den Ausgang eines Wettbewerbs trage ich u.U. ein paar Tage mit mir rum. Der enge Spielplan mit teils englischen Wochen hilft dann dabei, vergangenes schnell abzuhaken. Aber auch in einer Woche, in der nur Training ansteht probiere ich, schnell den Blick nach vorne zu werfen, eine positive Grundstimmung zu haben und mir neue Ziele zu setzen.“
Sebastian: „Wie gehst du mit einer Niederlage/schlechten Wettkampf um? Gibt es etwas systematisches?“
Andreas: „Ich bin selbst mein größter Kritiker. Nach einem schlechten Wettkampf probiere ich zu analysieren was schief lief und meinen Fokus im Training direkt darauf zu legen. Wenn eine Phase mit mehreren schwächeren Spielen aufkommt, probiere ich mir mit alten Videos und ein paar Extraschichten in der Halle wieder Selbstvertrauen zu holen.“
Sebastian: „Das heißt, du schaust dir gute Szenen von dir an?“
Andreas: „Genau.“
Sebastian: „Wie gehst du mit einem Sieg/guten Wettkampf um? Gibt es hier etwas systematisches?“
Andreas: „Generell finde ich, dass man aus einer Niederlage oder einem schlechten Wettkampf mehr lernen kann. Bei guten Spielen, bei denen man im Flow ist, kann man manchmal nicht erklären wieso es so gut lief und sich alles einfacher angefühlt hat. Entsprechend analysiere ich diese Spiele dann auch im Nachhinein weniger.“
Thema Trainer:
Sebastian: „Was macht für dich einen guten Jugendtrainer aus?“
Andreas: „Die Fähigkeit, das Potential in einem Spieler zu erkennen und zu fördern macht für mich einen guten Jugendtrainer aus. Dafür muss er eine Vision entwickeln können, wo er den Spieler in x Jahren sieht. Dementsprechend muss er auch im Mannschaftstraining Zeiten und Räume für einzelne Spieler schaffen, in denen sie sich weiterentwickeln können und mit individuellen Drills arbeiten und nicht nur eine Standardlösung für die gesamte Mannschaft anbieten.“
Sebastian: „Wie stellt ein Trainer zu dir eine zielführende Beziehung her?“
Andreas: „Indem ich merke, dass er meine Situation ernst nimmt und probiert, diese zu verbessern. Jeder Trainer hat andere Methoden diese Beziehung aufzubauen, aber der Spieler muss merken, dass der Trainer ihn wahrnimmt und an seiner Entwicklung Interesse hat.“
Sebastian: „Was stört dich an einem Trainer? Wodurch nimmt dir der Trainer die Motivation?“
Andreas: „Ein Trainer kann mir die Motivation durch anhaltendes Desinteresse nehmen. Wenn ich über einen längeren Zeitraum merke, dass der Trainer mir keine neuen Angebote machen kann und mir keine Rolle im Team aufzeigt besteht die Gefahr, dass ich die Motivation anders lenke. Ich verliere dann nicht die Motivation am Training, wohl jedoch am Training mit der Mannschaft und trainiere dann eher Richtung meiner eigenen, individuellen Ziele.“
Fotos in Beiträgen von Andreas Seiferth von Thorsten Ochs und von Sven Ammon
Wieder sehr, sehr gut! Andi ist allerdings auch ein „Vorzeige“-Profi! Es gibt davon mehr als man denkt (u.a. z.B. Phil Schwethelm, Sonja Greinacher), aber sie sind wichtig für den BB-Leistungssport!