Das Interview mit Ulrich Eckhardt – Bundestrainer der deutschen Golf-Herren-Nationalmannschaft

Bekomme einen Einblick in die persönlichen Werkzeuge von Ulrich

Name:

Ulrich Eckhardt – Bundestrainer der deutschen Golf-Herren-Nationalmannschaft  

Alter: 55

Sportart: Golf

Wichtiger Hinweis: Die Teilnahme des Gasts an der Sport-Runde lässt keine Rückschlüsse darüber zu, ob eine sportpsychologische Zusammenarbeit mit Sebastian Altfeld besteht. Es ist lediglich ein Zeichen dafür, dass der*die Sportler*in/Trainer*in die dankenswerte Bereitschaft zeigt, die eigenen Ansichten und Ansätze zu teilen. 

Thema Wettkampfvorbereitung:

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag vor dem Wettkampf vor? Was machst du für dich und warum?“

Ulrich Eckhardt: „Ich versuche eigentlich alles so zu machen wie immer. Ich denke Normalität im Alltag führt auch dazu, den Wettkampf nicht zu hoch zu bewerten. Es geht für mich darum, den Spielern zu vermitteln, dass alles so ist wie immer! Es gibt natürlich Wettkampftage, wie ein Finale für eine EM, da merkt man, dass die Spannung steigt, aber ich verändere trotzdem bewusst nichts! Meine gesamte Informationssammlung und taktischen Ideen bespreche ich frühzeitig mit den Spielern. Golf ist eher eine Einzelsportart und man muss in der Lage sein, auf jeden Einzelnen einzugehen. Bei Teamevents sieht es schon etwas anders aus. Da versucht man natürlich die Gemeinschaft zu stärken! Bei wichtigen Wettkampftagen muss man niemanden motivieren, es geht eher darum, so viel Normalität wie möglich zu vermitteln.“

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag des Wettkampfs auf den Start vor? Was machst du für dich und warum?“

Ulrich Eckhardt: „Auch hier wie jeden anderen Tag auch. Ich versuche den Spielern Ruhe zu vermitteln. Falls es noch irgendwelche Planänderungen gibt, besprechen wir das. Ich lasse die Spieler beim Einschlagen meist alleine. Es sei denn, es gibt etwas Technisches zu bearbeiten. Das ist allerdings sehr selten.“

Sebastian: „Das ist  eine spannende Herangehensweise. Darf ich fragen, was am Tag vorher und am Tag des Wettkampfs Normalität für dich bedeutet? Wie sieht da denn so ein Tag aus?“

Ulrich Eckhardt: „Ich versuche den normalen Lebensrhythmus (sofern es möglich ist, wenn man unterwegs ist) beizubehalten, vor allem darauf zu achten eher Dinge zu tun, die einem guttun. Keine besonderen Veränderungen vornehmen, sofern alles im Lot ist.“

Sebastian: „Was machst du die letzten Minuten, um dich auf den Wettkampf vorzubereiten? Was genau machst du bewusst oder unbewusst, um dich so richtig auf den Wettkampf einzustellen? Nutzt du bestimmte mentale Werkzeuge, Verhaltensweisen oder Vorgehen dazu?“

Ulrich Eckhardt: „Eine Runde Golf zu spielen ist eher eine langwierige Angelegenheit und man muss es schaffen, über einen Zeitraum von 4-5 h die Konzentration und Anspannung hochzuhalten, aber eben nicht zu hoch, sonst kommt man nicht an sein Unterbewusstsein ran. Die Spieler müssen eigentlich so eine Art Schwebezustand erreichen, um ihr bestes Golf zu spielen. Das ist natürlich bei jedem Spieler sehr unterschiedlich und darauf versuche ich einzugehen. Mit dem Einen muss man quatschen über banale Dinge, den Anderen lässt man am besten ganz in Ruhe, der Nächste brauch etwas Pep Talk…man muss seine Spieler einfach sehr gut kennen und wissen, wie sie am Besten in den Idealzustand kommen können. Ich versuche vor allem Ruhe auszustrahlen. Wenn ich merke, ich werde selber nervös (passiert Gott sei Dank nur noch sehr selten), dann gehe ich meistens weg und lasse sie alleine. Ich will nicht meine Nervosität auf sie übertragen.“

Sebastian: „Spannend und auch herausfordernd auf die einzelnen Bedürfnisse einzugehen. Wie findest du heraus, was ein Spieler braucht?“

Ulrich Eckhardt: „Man findet über die gemeinsame Zeit heraus, was die einzelnen Spieler brauchen bzw. nicht brauchen. Es ist in meinen Augen auch sehr wichtig, dass man die Klappe halten kann als Coach.“

Thema Motivation:

Sebastian: „Was sind deine Ziele als Trainer? Was motiviert dich, damit du die Mühen aufnimmst?“

Ulrich Eckhardt: „Es macht mir sehr viel Spaß zu sehen, wie sich Spieler positiv entwickeln. Ich möchte den Spielern helfen, das Beste aus sich herauszuholen. Golf ist das beste Spiel, das je erfunden wurde, das reicht mir schon als Motivation.“

Sebastian: „Wen würdest du gerne mal trainieren?“

Ulrich Eckhardt: „Ich trainiere jeden Spieler gerne, der offen und wissbegierig ist. Es gibt keinen speziellen Spieler, den ich gerne trainieren würde. Bei einigen Spielern merkt man sofort, wie ‚protective‘ sie sind und nichts an sich heranlassen! Wenn ich merke, da komme ich nicht ran, dann verliere ich das Interesse.“               

Sebastian: „Was machst du, wenn du vor einem Training mal keine Motivation hast?“

Ulrich Eckhardt: „Dann muss ich mir etwas ausdenken, damit dieses spezielle Training besonders wird. Für mich und für den Spieler: „Thinking outside the box.“ Dann ist eigentlich die Motivation sofort wieder da. Wenn der Spieler etwas Neues lernt und ich am besten auch noch, dann läuft es.“

Sebastian: „Wie gehst du da mit dir um?“

Ulrich Eckhardt: „Ich versuche etwas Besonderes zu finden, für mich und für die Spieler!“

Sebastian: „Spannend! Darf ich fragen, was das letzte ‚Besondere‘ war, dass du dir überlegt hast?“

Ulrich Eckhardt: „Das ist jetzt natürlich sehr golfspezifisch! Das Letzte, das mir jetzt in den Sinn kommt, war sie mit Schlägern spielen zu lassen, die vollkommen unpassend für die Situation waren, um ihre Kreativität bei der Ausführung zu fordern.“

Thema Persönlich:

Sebastian: „Was würdest du deinem 14-jährigen Ich für einen Tipp geben, den du damals hättest gebrauchen können?“

Ulrich Eckhardt: „Ach herrje, das wäre eine Menge! Wenn es nur eine einzige Sache wäre, dann würde ich mir sagen, bleib bei dir und kümmere dich nur um deine Entwicklung und versuche nicht anderen zu gefallen oder zu imponieren.“

Sebastian: „Wann war der Punkt als du dich für den Leistungssport bzw. für eine professionelle Karriere entschieden hast? Was war der Auslöser bzw. Grund?“

Ulrich Eckhardt: „Eigentlich wollte ich schon immer Leistungssport machen, Sport hat mich von klein an fasziniert, ich wollte immer Sport zu meinem Beruf machen.“

Sebastian: „Und wann hast du die Chance bekommen? Und was hat dich den Schritt dann auch gehen lassen?“

Ulrich Eckhardt: „Für mich war der Moment gekommen, nachdem ich für die Amateurweltmeisterschaft nominiert wurde und dort als bester Deutscher das Turnier als 10. in der Einzelwertung abgeschlossen hatte. Als ich zurück nach Deutschland kam, stand für mich der Entschluss fest. Das Studium (Bauingenieur) hat mich nicht gefesselt und ich wollte in den Leistungssport. Ich habe den Schritt dann einfach vollzogen, weil er sich für mich als richtig angefühlt hat.“

Sebastian: „Was machst du morgens, um gut in einen Tag zu starten?“

Ulrich Eckhardt: „Ein guter Kaffee ist schon wichtig, dann gerne etwas Herzhaftes frühstücken.“

Sebastian: „Welcher Spruch, Buch oder Mensch hat dich am meisten beeinflusst auf deinem Weg?“

Ulrich Eckhardt: „Spruch: “Golf is not a game of perfect”, Buch: “The Five Fundamentals of Golf by Ben Hogan”.”             

Sebastian: „Wie suchst du dir deinen Ausgleich zum Sport? War das immer so oder hat sich das im Laufe der Zeit verändert?“

Ulrich Eckhardt: „Ich habe immer schon sehr gerne gekocht, das ist für mich die totale Entspannung. Das war tatsächlich immer schon so.“

Thema Fokus:

Sebastian: „Wodurch verlierst du den Fokus im Wettkampf oder Training? Fehlversuch eines Athlet*innen, Schiedsrichterentscheidung…?“

Ulrich Eckhardt: „Dumme Entscheidungen im Turnier können mich aus dem Fokus bringen, Schiedsrichter haben selten großen Einfluss beim Golf. Wenn die Trainings- oder Wettkampfbedingungen schlecht sind, verliere ich schon mal den Fokus. Das kann alles Mögliche sein: Schlechtes Wetter, schlechte Bodenbeschaffenheiten oder schlechte Übungsbälle.“

Sebastian: „Wie findest du dann wieder den Fokus? Gibt es ein Werkzeug, ein Verhalten oder Vorgehen, dass du da nutzt?“

Ulrich Eckhardt: „Ich muss auf jeden Fall raus aus der Situation und etwas ändern. Manchmal verlasse ich auch einfach den Platz oder die Übungsanlage und sammele meine Gedanken alleine oder mit einem Kollegen zusammen und dann geht es weiter.“

Sebastian: „Darf ich fragen, wie du das dann machst mit den ‚Gedanken sammeln?“

Ulrich Eckhardt: „Eigentlich meistens mit meinem Trainerstab zusammen. Wir überlegen uns, wie wir das Beste aus der Situation herausholen können. Das klappt eigentlich immer.“

Thema nach dem Wettkampf:

Sebastian: „Was machst du direkt nach dem Wettkampf? Wie bereitest du einen Wettkampf nach?“

Ulrich Eckhardt: „Direkt danach erstmal gar nichts. Das Ganze muss immer erst mal etwas sacken und ein paar Stunden später kann man deutlich distanzierter und sachlicher reflektieren. Unmittelbar danach ist man emotional noch viel zu sehr im Geschehen.“

Sebastian: „Wie lange denkst du noch an einen Wettkampf nachdem er vorbei ist?“

Ulrich Eckhardt: „Über die Jahre habe ich es geschafft, schnell abzuhaken, aber es wäre gelogen zu behaupten, dass es nicht mehr an mich rankommt. Manchmal schwingt es schon noch sehr lange nach, bis zu einer Woche, das kann in beide Richtungen, Euphorie oder Frustration, schwingen.“

Sebastian: „Wie gehst du mit einer Niederlage/ schlechten Wettkampf um? Gibt es etwas Systematisches?“

Ulrich Eckhardt: „Wenn es etwas Sinnvolles zu analysieren gibt, dann muss man eine gute Reflektion mit den Spielern durchführen, nicht zu zeitnah. Manchmal ist es aber auch einfach nur wichtig, das Ganze wegzuschmeißen und nach vorne zu sehen. Es geht immer weiter und man kann nicht den ganzen Ballast mit sich rumtragen. Akzeptanz ist das große Zauberwort dabei. Es gibt immer einen neuen Tag, eine neue Woche, einen neuen Wettkampf.

Sebastian: „Danke für diese wertvolle Ansicht. Hinsichtlich der Reflektion mit den Spielern. Darf ich fragen, wie du da vorgehst? Ich kann mir vorstellen, dass da viele Leser*innen Interesse dran hätten.“

Ulrich Eckhardt: Wir machen es, sofern es die Zeit zulässt, immer mit einer Good, Better, How Analyse.  In meinen Augen die einzig sinnvolle Methode, da die gesamte Reflexion positiv und zielgerichtet ist. Es gibt genügend Athleten, die gerne darüber sprechen, was schlecht war oder was schiefgelaufen ist! Die GBH Analyse verläuft nach folgendem Schema:

Good: Der Spieler berichtet über alles was an diesem Tag oder bei diesem Wettkampf gut verlaufen ist, alles was besonders gut geklappt hat. Es gibt kein Aber oder Ausnahmen, ausschließlich Gutes wird gesichert.

Better: Hier wird ohne Wertung darüber gesprochen, welche Dinge an diesem Tag hätten besser sein können. Ganz nüchtern, aber detailliert.

How: Als Letztes wird dann erörtert, wie man die Dinge besser machen kann. Falls der Spieler selbst zu keiner Lösung kommt, gibt der Trainer Denkanstöße, in welche Richtung es gehen sollte.“

Sebastian: „Wie gehst du mit einem Sieg/ guten Wettkampf um? Gibt es hier etwas Systematisches?

Ulrich Eckhardt: „Vor allem erstmal genießen, dass man etwas Besonderes geschafft hat, ein wenig feiern muss erlaubt sein. Aber noch wichtiger ist es, die Sachen, die gut funktioniert haben, zu festigen. Auch hier ist eine gute Reflexion Gold wert. Das zeichnet auch die guten Spieler aus.“

Thema Leadership:

Sebastian: „Wie gehst du mit Fehlern von Athlet*innen um? Hat sich dieser Umgang bei dir über die Jahre verändert?“

Ulrich Eckhardt: „Auf jeden Fall! Mit den Jahren wird man doch deutlich gelassener. Fehler sind wichtig und sind wertvoll, weil man daraus lernen kann. Golf ist ein sehr kompliziertes, schwieriges Spiel. Hier sind Fehler an der Tagesordnung. Niemand macht absichtlich einen Fehlschlag, daher nehme ich es auch keinem Übel. Ich ärgere mich eher über schlechte Planung und dumme Entscheidungen, wenn man nicht auf sein Inneres, sein Bauchgefühl hört.“

Sebastian: „Was ist das Erste, was du machst, wenn du eine Mannschaft/ einen Sportler übernimmst?“

Ulrich Eckhardt: „Ich versuche jeden einzelnen Spieler so gut wie möglich kennenzulernen, herauszufinden wie er/ sie tickt. Nur dann kann ich sein Vertrauen erlangen und auch sinnvoll mit ihm arbeiten.“

Sebastian: „Gibt es da Tipps an andere Trainer*innen, wie man Sportler*innen gut kennen lernt?“

Ulrich Eckhardt: „Man muss einfach viel Zeit investieren, irgendwann merkt man, dass sie ihr Innerstes herauskehren, und dann fängt man an, sie kennenzulernen. Man muss sie in Stresssituationen erleben und man muss sie erleben, wenn sie im Flow sind. Einzelgespräche sind essenziell.

Sebastian: „Worauf legst du besonderen Wert bei der Beziehung zu einer Mannschaft/ einem Sportler?“

Ulrich Eckhardt: „Vertrauen und Ehrlichkeit.“

Sebastian: „Darf ich fragen wieso?“

Ulrich Eckhardt: „Ohne diese beiden Eigenschaften, kann ich nicht wirklich mit einem Spieler arbeiten. Wenn ich merke, er vertraut mir nicht, dann weiß ich auch, dass er nichts annimmt von mir. Und das Vertrauen kommt nur, wenn man ehrlich miteinander ist.

Sebastian: „Was tust du, wenn dein*e Athlet*in keine 100% gibt?“

Ulrich Eckhardt: „Das passiert zum Glück nur selten. Wenn ja, dann teile ich ihm meine Wahrnehmung mit und beobachte, ob er sein Verhalten verändert. Wenn es nicht passiert, gehen wir meist getrennte Wege.“

Sebastian: „Wie bereitest du ein Feedback an einen Sportler im Training oder Wettkampf vor? Ist das spontan oder durchdacht? Wie gehst du vor?“

Ulrich Eckhardt: „Ich habe natürlich meine Beobachtungen gemacht und innerlich notiert. Mir ist allerdings sehr wichtig, dass der Spieler im Laufe des Gesprächs über die Fragestellung selbst zu den Erkenntnissen gelangt. Wenn er nicht draufkommt, warte ich meist noch etwas ab, dann ist er noch nicht so weit. Nur dann ist das Ganze auch nachhaltig.“

Sebastian: „Das heißt, du arbeitest viel mit Fragen?“

Ulrich Eckhardt: „Ja, auf jeden Fall! Es ist sehr wertvoll, wenn die Spieler das Gefühl haben, dass sie selbst die Lösung gefunden haben.“

Sebastian: „Wie wichtig ist dir Feedback durch deine Sportler? Wie holst du es gegebenenfalls ein?“

Ulrich Eckhardt: „Wenn man eine Atmosphäre des Vertrauens hat, dann sind die Sportler eigentlich auch offen mit der Rückmeldung. Wenn ich spüre er/ sie hat etwas auf dem Herzen, dann suche ich das Gespräch. Ich bekomme natürlich auch von unserer Mentaltrainerin und von meinen Kollegen Rückmeldung. Wir versuchen uns auch regelmäßig zusammenzusetzen und zu besprechen, was wir besser machen können.“

 Fotos von Stefan Blümer(stebl)

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