Das Interview mit Yvonne Li – Badminton-Profispielerin und Olympiateilnehmerin

Bekomme einen Einblick in die persönlichen Werkzeuge von Yvonne

Der nächste Gast in der Sportrunde: Yvonne Li – Badminton-Profispielerin und Olympiateilnehmerin

Die Vorstellung von Marie findest du unter diesem Link

Alter: 25

Sportart: Badminton

Wichtiger Hinweis: Die Teilnahme des Gasts an der Sport-Runde lässt keine Rückschlüsse darüber zu, ob eine sportpsychologische Zusammenarbeit mit Sebastian Altfeld besteht. Es ist lediglich ein Zeichen dafür, dass der*die Sportler*in/Trainer*in die dankenswerte Bereitschaft zeigt, die eigenen Ansichten und Ansätze zu teilen.

Thema Wettkampfvorbereitung:

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag vor dem Wettkampf vor? Was machst du für dich und warum?“

Yvonne: „Zuerst versuche ich einen groben Tagesablauf zu planen. Je nachdem, wann mein Spiel angesetzt ist, lege ich noch eine kurze Trainingseinheit am Morgen ein. Bevor es dann in die Halle geht zum Wettkampf, gehe ich nochmal die taktischen Anweisungen durch, die ich mit meinem Trainer am Tag vorher gemeinsam erarbeitet habe. Neuerdings habe ich eine kurze Meditation mittags eingebaut, um die Konzentration zu steigern.“

Sebastian: „Danke für den spannenden Einblick. Darf ich fragen, ob du am Abend vorher noch etwas Besonderes für dich machst?“

Yvonne: „Außer einer Matchanalyse der Gegnerin, versuche ich nur nicht zu spät schlafen zu gehen. Ein Ritual am Vorabend habe ich nicht.“

Sebastian: „Wie kommt es, dass du die Meditation hinzugefügt hast?“

Yvonne: „Ich habe gemerkt, dass ich am Tag des Wettkampfes sehr angespannt bin, insbesondere, wenn das Spiel erst sehr spät am Tag angesetzt ist, hatte ich Probleme mich zu entspannen. Deshalb habe ich das eingebaut, um etwas über den Tag zur Ruhe kommen zu können.“

Sebastian: „Was machst du die letzten Minuten, um dich auf den Wettkampf vorzubereiten? Was genau machst du bewusst oder unbewusst, um dich so richtig auf den Wettkampf einzustellen?“

Yvonne: „Oft habe ich gerade ein bestimmtes Lied, dass mich nochmal so richtig pusht während eines Turniers. Das höre ich mir dann beim Aufwärmen gerne nochmal an. Außerdem stelle ich mir bildlich den Spielstil und typischen Schläge meiner Gegnerin vor, damit ich später im Wettkampf schneller darauf reagieren kann. Allgemein gehe ich ein festes Aufwärmprogramm durch und versuche sozusagen über die Routine, der nervösen Anspannung etwas entgegenzuwirken.“

Sebastian: „Das ist sehr hilfreich für junge Leser*innen zu verstehen. Sind das dann immer die gleichen Bewegungen oder wie sieht die Routine aus?“

Yvonne: „Ja, es sind meistens die gleichen Übungen, aber ein bisschen Variation ist da schon drin. Meistens gehe ich nach Gefühl, welche Übungen mir das Gefühl geben können, dass ich gut vorbereitet bin. Zum Teil versuche ich bestimmte Bewegungsmuster einzubauen, die ich oft auf dem Spielfeld möglicherweise ablaufen muss, anhand der Spielweise der bestimmten Gegnerin.“

Sebastian: „Und was machst du dann unmittelbar vor dem Spiel? Gibt es da etwas Systematisches von deiner Seite, bevor das Spiel beginnt?“

Yvonne: „Kurz bevor es aufs Feld geht, mehrere Male tief durchatmen und vor dem inneren Auge die gefährlichen Schläge der Gegnerin vorstellen, um mental darauf vorbereitet zu sein.“

Sebastian: „Kommt es heute nach so vielen Spielen eigentlich noch vor, dass du aufgeregt bist? Falls ja, wie gehst du da mit dir um?“

Yvonne: „Ja, jeder Wettkampftag ist aufregend. Ich versuche die Aufregung eher in Richtung der Vorfreude zu lenken und nicht zur Nervosität. Wenn ich merke, dass in meinem Kopf zu viele Gedanken rumschweben, dann setze ich mich hin und schreibe diese Gedanken runter in mein Notizbuch.“

Thema Motivation:

Sebastian: „Was machst du, wenn du im Training mal keine Motivation mehr hast?“

Yvonne: „Ich versuche mich daran zu erinnern, was das große ganze Ziel ist, und dass jede Einheit dazu beiträgt, weiterzukommen. Außerdem ist mir bewusst, dass ohne Konzentration und Fokus, eine Trainingseinheit immens an Wert verliert. Falls ich trotzdem eine Motivationslosigkeit verspüre, aber das Training durchziehen möchte, versuche ich mich auf die simplen Dinge zu konzentrieren, die mir Freude bereiten. Zum Beispiel einfach der Spaß an Bewegung, gegen einen Federball zu hauen, oder auch mit einer Gruppe zusammen an einer Sache zu arbeiten.“

Sebastian: „Wie gehst du da mit dir um, wenn du im Training einmal keine Motivation mehr hast?“

Yvonne: „Ich versuche die Ursache für meine Motivationslosigkeit zu finden, und wenn möglich dann die Situation so zu ändern, dass ich im nächsten Moment wieder motiviert an die Sache gehen kann. Meistens bin ich jedoch hauptsächlich von mir selbst enttäuscht, sollte ich unmotiviert sein. Ich bin mir bewusst, dass ich große Ziele habe, und ohne Fleiß, diese Ziele nicht erreichen werde.“

Sebastian: „Vielen Dank für den Einblick. Und wie gehst du dann mit der Enttäuschung um?

Yvonne: „Für das Training an sich bin ich sehr selten unmotiviert. Oft hat es dann eher etwas mit meiner Umgebung zu tun. Das ist oft sehr schwer zu ändern. Ich glaube, ein Schlüssel ist zu versuchen, mit seiner Umgebung zu arbeiten, jedoch auch bis zu einem gewissen Grad die Inflexibilität eines Systemumfelds zu akzeptieren. Ein System bringt viele Vorteile, nur leider muss man in manchen Punkten auch Abstriche machen.“

Thema Persönlich:

Sebastian: „Was würdest du deinem 14-jährigen Ich für einen Tipp geben, den du damals hättest gebrauchen können?“

Yvonne: „Genieße die Jugendzeit und auch das soziale Umfeld, welches damit einhergeht. Später im Hochleistungssport kann es sehr einsam werden und damit du dich dort durchsetzen kannst, brauchst du ein immenses Durchhaltevermögen, aber auch Selbstbewusstsein. Versuche im Hier und Jetzt zu sein und so viele Erfahrungen wie möglich mitzunehmen. Deine Persönlichkeit wird wachsen je mehr du deinen Horizont erweiterst, aber übernimm dich auch nicht zu sehr. Man kann als Mensch auch nur so viel Energie geben. Wenn es mal nicht läuft, geht die Welt nicht unter. Manchmal ist weniger Nachdenken mehr.“

Sebastian: „Wow. Das ist ein Tipp, den sich viele junge Sportler*innen zu Herzen nehmen könnten. Wann war der Punkt, als du dich für den Leistungssport bzw. für eine professionell Karriere entschieden hast?“

Yvonne: Ungefähr als ich 12-13 Jahre alt war, kam mir plötzlich der Gedanke, dass ich für mich selbst trainiere und nicht für meinen Vater, für meinen Trainer oder sonst wen. Alle Einheiten, die ich absolviere, kommen nur mir zugute. Seitdem mir das bewusst wurde, war mir klar, dass ich Badminton wirklich als Lebensinhalt ansehe, für den ich mich auch selbst entschieden habe. Und plötzlich musste man mich nicht mehr zum Training „schleppen“, sondern ich hatte starkes Eigeninteresse daran, immer besser zu werden.“

Sebastian: „Was machst du morgens, um gut in einen Tag zu starten?“

Yvonne: „Gut Frühstücken.“

Sebastian: „Welcher Spruch, Buch oder Mensch hat dich am meisten beeinflusst auf deinem Weg?“

Yvonne: „Wenn du schon mit dem Rücken zur Wand stehst, dann gibt es nur noch den Weg nach vorne.Ohne meinen Vater wäre ich mit dem Sport nie in Berührung gekommen und hätte auch nicht die Möglichkeit gehabt, so viel zu trainieren und Turniere in ganz Deutschland zu spielen. Dieser Einsatz ist nicht selbstverständlich und im Nachhinein ist es fast unglaublich für mich, wie viel Zeit und Herzblut er in die Anfänge meiner Karriere hineingesteckt hat.“

Sebastian: „Was machst du in deiner Freizeit, wenn du kein Training/ Wettkampf hast? Warum machst du das? War das schon immer so?“

Yvonne: „Ich studiere nebenbei Wirtschaftsingenieurwesen im Bachelor.  Wenn dann noch Zeit übrig bleibt, treffe ich mich gerne mit Freunden, schaue eine Serie, oder backe/ koche auch mal gerne. Mir ist klar, dass ich mir ein zweites Standbein aufbauen muss neben der Sportkarriere, da nur Badminton spielen zu riskant ist. Man weiß nie, was passiert und die Karriere kann am Ende schneller vorbei sein, als man schauen kann. Generell den Kopf auf eine andere Art und Weise zu beschäftigen, ist auch keine schlechte Sache, denke ich. Dadurch kommen aber entspanntere Dinge leider oft zu kurz und durch die vielen Reisen ist es schwierig, feste Freundschaften aufzubauen.“

Sebastian: „Das ist schon eine Herausforderung in deiner Sportart mit den ganzen Reisen. Wie bleibst du mit Freunden dann im Kontakt?“

Yvonne: „Sehr schwierig. Whatsapp and Social Media hilft da sehr, aber ein persönliches Treffen ist einfach auf einer anderen Ebene. Wichtig ist trotzdem, sich immer wieder zu melden. Da alle jedoch davon ausgehen, dass man immer unterwegs ist, ist oft Eigeninitiative gefordert, wenn man sich mit jemanden treffen möchte.“

Thema Misserfolg:

Sebastian: „Wodurch verlierst du den Fokus im Wettkampf oder Training? Fehlversuch, Schiedsrichterentscheidung…?“

Yvonne: „Besonders bei einem schlechten Körpergefühl, fällt es mir schwer, mich aus dem Loch hinauszuziehen. Wenn ich nicht ganz so wachsam bin, nicht so schnell auf Dinge reagiere und allgemein verkrampft bin und dadurch sich viele Fehler in mein Spiel schleichen, fällt es mir häufig schwer, mich zu konzentrieren und mich auf das Wesentliche zu fokussieren. Manchmal führen auch äußerliche Umstände, wie Unstimmigkeiten, aber auch neben dem Feld, zu Einschränkungen in der Konzentrationsfähigkeit.“

Sebastian: „Wie findest du nach einem Fehler oder Misserfolg wieder den Fokus?“

Yvonne: „Ich versuche tief durchzuatmen und mir einfache Anweisungen zu geben, die ich in druckreichen Situationen am ehesten umsetzen kann. Manchmal hilft es auch, einen bestimmten Satz wie ein Mantra immer wieder vor sich hinzumurmeln, um sich wieder fokussieren zu können und in einen sogenannten Tunnel zu kommen.“

Sebastian: „Danke für den Hinweis. Also ein Selbstgespräch mit Instruktionen. Das haben schon mehrere Sportler*innen beschrieben. Genauso wie die Atmung. Was bedeutet für dich ein Fehler oder Rückschlag im Training oder Wettkampf? Gibt es Unterschiede zwischen Training und Wettkampf?

Yvonne: „Seitdem ich Teil der Nationalmannschaft bin, verspüre ich einen deutlichen Unterschied wie ich mit Misserfolg umgehe. Der Anspruch ist viel höher geworden, dadurch aber leider auch die Enttäuschung, wenn es mal nicht so läuft wie erwünscht. Ich denke, es ist wichtig zu unterscheiden, dass ein Rückschlag im Sport nicht ein Rückschlag für mich als Mensch bedeutet. Badminton ist nicht ein und alles. Außerdem ist es wichtig, Rückschläge als Teil des Prozesses zu akzeptieren, und sich nicht entmutigen zu lassen. Das ist jedoch immens schwer und nach einem schlechten Wettkampf ist das natürlich noch schwieriger zu verdauen als nach ‚nur einer schlechten Trainingseinheit‘.“

Sebastian: „Das ist eine wichtige Message. Ein Fehler im Sport sagt nichts über mich als Mensch aus. Aber wie du sagst. Es ist schwierig, dies zu verinnerlichen. Wie probierst du das umzusetzen? Schaffst du dir Erinnerungen oder hast du dazu einen systematischen Prozess, um das für dich zu integrieren?“

Yvonne: „Je mehr man Leistungssport betreibt, desto mehr verschmilzt die Person mit dem Sport an sich. Das ist schwer verhinderbar. Und wenn der Erfolg ausbleibt, dann stellt man sich oft die Frage: Was ist man dann? An dem Tag des Misserfolgs ist die Enttäuschung extrem stark. Meine Familie und auch ein paar enge Freunde helfen mir dort rauszukommen. Insgesamt versuche ich innerhalb eines Tages etwas Abstand zu der Emotionalität des Ergebnisses zu gewinnen und eher eine Analyse zu betreiben, die zu der Niederlage geführt hat.“

Thema nach dem Wettkampf:

Sebastian: „Was machst du direkt nach dem Wettkampf? Wie bereitest du einen Wettkampf nach?“

Yvonne. „Ich schaue mir meine Spiele nach dem Wettkampf nochmal an. Dabei versuche ich Dinge zu finden, die ich verbessern kann oder ändern möchte, aber auch Dinge, die ich aus dem Training umsetzen konnte. Ich habe ein kleines Buch, was ich immer auf Wettkämpfe mitnehme. Dort schreibe ich meine Gegneranalysen vor dem Spiel auf, aber auch mein Fazit nach dem Spiel. Außerdem schreibe ich kurz Themen auf, die ich in nächster Zeit angehen möchte.“

Sebastian: „Wie lange denkst du noch an einen Wettkampf, nachdem er abgeschlossen ist?“

Yvonne. „Dadurch, dass ich sehr viele Wettkämpfe im Jahr bestreite, bleibt oft gar nicht so viel Zeit, sehr lange über Wettkämpfe nachzudenken. Sehr gute, aber auch sehr enttäuschende Wettkämpfe bleiben grundsätzlich länger in Erinnerung.“

Sebastian: „Wie gehst du mit einer Niederlage/ schlechten Wettkampf um? Gibt es etwas Systematisches?“

Yvonne: „Oft bin ich an dem Tag der Niederlage sehr verstimmt, spätestens am nächsten Tag versuche ich mich aber eher auf die Handlung danach zu konzentrieren als mich weiter mit der Vergangenheit zu beschäftigen, die ich nicht mehr ändern kann.“

Sebastian: „Wie gehst du mit einem Sieg/ guten Wettkampf um? Gibt es hier etwas Systematisches?“

Yvonne: „Wenn es die Zeit zulässt, lade ich gerne enge Freunde und an meinem Erfolg beteiligte Personen zu einem gemeinsamen Essen ein, um die gute Leistung zu feiern.“

Sebastian: „Das ist echt schön. Viele feiern Erfolge viel zu wenig.“

Thema Trainer*in:

Sebastian: „Was macht für dich eine*n gute*n Jugendtrainer*in aus?“

Yvonne: „Ein guter Jugendtrainer ist für mich jemand, der Visionen mit seinem/ ihrem Schützling teilen und begeistern kann. Der Trainer spielt eine wichtige Rolle im Leben eines jungen Menschen, nicht nur in sportlicher Hinsicht, sondern auch in persönlicher Hinsicht. Deshalb ist es nicht nur wichtig fachlich die Kinder auszubilden, sondern Moral und wichtige Charaktereigenschaften weiterzugeben.“

Sebastian: „Wie stellt ein*e Trainer*in zu dir eine zielführende Beziehung her?“

Yvonne: „Das Wichtigste für mich ist Vertrauen in einer Beziehung. Und um dies herzustellen, ist eine gute Kommunikation immens wichtig. Vertrauen und Einsatz des Trainers/ der Trainerin muss ich spüren, damit ich von einer guten Zusammenarbeit überzeugt sein kann.“

Sebastian: „Kommunikation habe ich auch oft bislang geantwortet bekommen. Was heißt für dich denn eine „gute“ Kommunikation?“

Yvonne: Eine gute Kommunikation beinhaltet für mich das Teilen von Gedanken bzgl. der Trainings- und Wettkampfplanung, aber auch generell klare Absprachen bei organisatorischen Sachen, die relevant sind zwischen Trainer und Spieler.“

Sebastian: „Was stört dich an einem*r Trainer*in? Wodurch nimmt dir der*die Trainer*in die Motivation?“

Yvonne: „Wenn ich nicht die gleiche Leidenschaft verspüre oder aber auch mehr „geredet wird als aktiv getan“. Misskommunikation oder auch nicht eingehaltene Absprachen führen bei mir zu Unmut und eventuell zu fehlendem Vertrauen. Dann ist am Ende leider die Basis für eine gute Zusammenarbeit nicht mehr vorhanden.“


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