Das Interview mit Detlef Poste – Chef-Bundestrainer der Deutschen Badminton Nationalmannschaft

DBV – Nationalteam 2018 –

Bekomme einen Einblick in die Ansichten von Detlef bezüglich seines Umgangs mit Athlet*innen und mit sich selbst

Name: Detlef Poste

Alter: 54

Sportart: Badminton – Chef-Bundestrainer der Deutschen Badminton Nationalmannschaft

Thema Wettkampfvorbereitung:

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag vor dem Wettkampf vor? Was machst du für dich und warum?“

Detlef: „Neben der systematischen Vorbereitung/Vorbesprechung der Wettkämpfe (im Badminton i.d.R. mehrere Spiele pro Tag) ernähre ich mich gesund, mache Abends einen Spaziergang. Ich verlange Professionalität, also lebe ich diese auch selbst. Zudem helfen die Maßnahmen mir, Energie zu haben aber trotzdem zu entspannen.“

Sebastian: „Gibt es noch etwas bestimmtes, was du Abends machst? Einen Film schauen oder ähnliches?“

Detlef: „Nach dem Spaziergang im Hotelzimmer tlw. noch lesen, Musik hören oder Sport im fernsehen schauen.“

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag des Wettkampfs auf den Start vor? Was machst du für dich und warum?“

Detlef: „Vor dem Aufstehen mache ich im Bett insgesamt ca. 3 Minuten eine Mobilisation der Wirbelsäule und des Beckens, dazu Bauchkräftigung und kurzes Entspannen, danach gibt es ein ausgiebiges, gesundes Frühstück und die Tasche für den Tag (mit Verpflegung, Getränken, Equipment) wird final gepackt. In der Halle gibt es dann ein finales, kurzes Vorbereitungsgespräch mit der/dem Spieler*in, zumeist in Richtung mentales Verhalten, innere Ruhe, Initiative, Kampfbereitschaft.“

Sebastian: „Was machst du die letzten Minuten, um dich auf den Wettkampf vorzubereiten? Was genau machst du bewusst oder unbewusst, um dich so richtig auf den Wettkampf einzustellen? Nutzt du bestimmte mentale Werkzeuge, Verhaltensweisen oder Vorgehen dazu?“

Detlef: „Auf der Tribüne tief durchatmen, Selbstgespräch zur eigenen Aufgabe als Coach hinter dem Feld (volle Unterstützung bei gleichzeitiger Gelassenheit usw.), ggf. auf Toilette, trinken.“

Sebastian: „Das finde ich sehr spannend, dass du selbst auch ein Selbstgespräch führst. Das berichten ja auch viele Sportler, dass sie sich dadurch ausrichten. Darf ich fragen, in welche Richtung dein Selbstgespräch geht? Hast du dir das bewusst angeeignet oder ist das zufällig entstanden?“

Detlef: „Inhalt des Gesprächs s.o., ich versuche mir vorzustellen, wie ich den Sportler auch in schwierigen Situationen positiv, gelassen unterstütze, selbst ruhig bleibe bzw. anfeure. Die Selbstgesprächsführung habe ich mir als Spieler angeeignet (in Zusammenarbeit mit unserem damaligen Sportpsychologen Wolfgang Klöckner) und als Trainer übernommen.“

Thema Motivation:

Sebastian: „Was sind deine Ziele als Trainer? Was motiviert dich, damit du die Mühen aufnimmst?“ Detlef: „Meine Ziele sind, die Spieler*innen für Hochleistungsbadminton zu begeistern, sie als Persönlichkeiten und als Spieler zu entwickeln und im Team Erfolge zu erzielen.“

Sebastian: „Wen würdest du gerne mal trainieren?“

Detlef: „Mal mit jemandem trainieren“ ist kein Ziel für mich. Training ist ein langfristiger Prozess und ich übernehme gerne die Verantwortung für die Spieler*innen meiner Gruppe.“               

Sebastian: „Was machst du, wenn du vor einem Training mal keine Motivation hast?“

Detlef: „Ohne Motivation in ein Training ist mir eigentlich noch nie passiert. Da ich immer eine Idee und ein Bild von jeder Trainingseinheit habe, ist auch Engagement da. Manchmal bin ich über den Verlauf eines Trainings enttäuscht, wenn dies nicht meinem Bild entspricht und es nicht gelingt, die Spieler*innen „auf Kurs“ zu bringen.“

Sebastian: „Wie gehst du da mit dir um?“

Detlef: „In einem Fall, wo das Training nicht läuft, analysiere ich sehr schnell in der Einheit, woran es liegt. Wenn ich klar geworden bin, hole ich die Gruppe zusammen und schildere meine Sichtweise und mein Befinden, frage nach, wie es die Spieler*innen sehen. Ich würde sagen, dass ich sehr lösungsorientiert bin und dabei die sozialen Befindlichkeiten gut einschätzen kann.“

Sebastian: „Das ist eine tolle Art und Weise, die Sportler in den Prozess einzubinden. Welche Erfahrungen sammelst du damit im Training so vorzugehen?“

Detlef: „Meistens gute Erfahrungen, weil die Spieler i.d.R. die Ehrlichkeit und Offenheit schätzen.“

Thema Persönlich:

Sebastian: „Was würdest du deinem 14-jährigen Ich für einen Tipp geben, den du damals hättest gebrauchen können?“  

Detlef: „Mit 14 war ich in einer sehr „beratungsresistenten Phase“, da hätte ich keine Tipps von meinem Erwachsenen-Ich angenommen. Gut wäre allgemein gesehen, wenn Eltern, Schule und z.B. der Sport einem Jugendlichen mehr Mut und Zuversicht vermitteln könnten und dass ausprobiert werden sollte, Fehler sehr wichtig sind um zu Lernen.“

Sebastian: „Wann war der Punkt als du dich für den Leistungssport bzw. für eine professionelle Karriere entschieden hast? Was war der Auslöser bzw. Grund?“

Detlef: „Das war kurz vor dem Abitur mit 16/17. Ein Vereinskamerad von mir kam zurück von einem Bundesligaverein, wo er auch eine Berufsausbildung gemacht hatte und suchte einen Trainingspartner. Da habe ich mitgemacht, meinen Trainingsumfang von heute auf morgen verdoppelt, eine Übungsleiterlizenz gemacht.“

Sebastian: „Und wie kam es dann dazu, dass du hauptberuflich Trainer wurdest?“

Detlef: „Ich habe früh Training in unserem Verein gegeben (mit 17), den ÜL-Schein (mit 18) und B-Trainer (20) gemacht und es hat mir sehr gefallen. Nach Abitur und Zivildienst habe ich mich dann für ein Sportstudium mit Trainerprofil in Köln entschieden und dann nach meiner Aktienzeit auch ein Jobangebot beim Verband erhalten (BT Jugend am BSP Mülheim).“

Sebastian: „Was machst du morgens, um gut in einen Tag zu starten?“

Detlef: „Ich verhalte mich im Alltag wie es schon für die Wettkampfvorbereitung beschrieben wurde (Mobilisation/Bewegung, positive Einstellung, gesunde Ernährung).“

Sebastian: „Welcher Spruch, Buch oder Mensch hat dich am meisten beeinflusst auf deinem Weg?“ Detlef: „Hier gibt es nicht die Person oder das Buch. Ich hatte das Glück, vielen guten Mentoren zu begegnen und wahrscheinlich das Talent, sehr neugierig und offen zu sein. Dazu viel gelesen über den Sport und insbesondere das Lernen im Sport.“

Sebastian: „Wie suchst du dir deinen Ausgleich zum Sport? War das immer so oder hat sich das im Laufe der Zeit verändert?“

Detlef: „Meine Familie unterstützt mich sehr, zudem werkele ich in der begrenzten Freizeit gerne im Haus und im Garten. Dazu treibe ich weiterhin selbst Sport und halte mich fit.“

Sebastian: „Das sind gute Methoden zum Ausgleich. Vor allem, dass du weiterhin Sport machst ist vermutlich sehr hilfreich. Viele Trainer*innen berichten, dass sie selbst nicht mehr zum Sport kommen.“

Detlef: „Hier hilft mir, dass ich das ohne viel Aufwand hinbekomme (Krafttraining zu Hause im Keller, Laufen direkt los ab Haustür, Badmintonhalle 3x im Monat ist 5 min. entfernt).“

Thema Fokus:

Sebastian: „Wodurch verlierst du den Fokus im Wettkampf oder Training? Fehlversuch eines Athleten, Schiedsrichterentscheidung…?“

Detlef: „Krasse Fehlentscheidungen, sehr unsportliches Verhalten o.ä. haben mich in der Vergangenheit aus der Ruhe gebracht. Jetzt beziehe ich so etwas als Worst-Case-Szenario mit in meine Vorbereitung ein und es passiert nur noch sehr selten, dass ich hinter dem Feld aus der Balance gerate.“

Sebastian: „Wie findest du dann wieder den Fokus? Gibt es ein Werkzeug, ein Verhalten oder Vorgehen, dass du da nutzt?“

Detlef: „Ich beruhige mich wieder. Z.B. nach einem Disput mit einem Schiedsrichter nutze ich die nächste Spielpause, um mich beim Schiedsrichter kurz zu entschuldigen.“

Sebastian: „Spannendes Vorgehen, dass von vornherein miteinzuplanen. Ist das mittlerweile so drin, dass du dich von selbst beruhigst oder musst du manchmal auch nochmal bewusst durchatmen? Denkst du da von selbst dran oder hast du dir Erinnerungshilfen gebaut?“

Detlef: „Häufig funktioniert es automatisiert, weil ich mich ja auch vor den Matches darauf einstelle. Aber natürlich ist immer auch mal eine Nachsteuerung erforderlich z.B. durch Atmung.“

Thema nach dem Wettkampf:

Sebastian: „Was machst du direkt nach dem Wettkampf? Wie bereitest du einen Wettkampf nach?“

Detlef: „Eigene Analyse des Spiels zur Nachbereitung mit der/dem Spieler*in. Dann Nachfrage bei der/dem Spieler*in, wann die Nachbesprechung erfolgen soll (Spieler*in muss bereit dafür sein).“

 Sebastian: „Wie lange denkst du noch an einen Wettkampf nachdem er vorbei ist?“

Detlef: „Das hängt davon ab, wie viel Zeit bis zum nächsten Spiel an dem Tag ist bzw. wie erfolgreich oder schmerzhaft der Wettkampf war. Zunächst lasse ich dann die Emotionen zu, gehe aber zügig dazu über, das Herauszuarbeiten, was an Ideen mitgenommen werden kann.“

Sebastian: „Wie gehst du mit einer Niederlage/schlechten Wettkampf oder einem Sieg/guten Wettkampf um? Gibt es etwas systematisches?“

Detlef: „Neben der systematischen Analyse in meinem Kopf und mit der/dem Spieler*in nutze ich gerne den Austausch mit Trainerkollegen. Hauptaspekt ist, aus jedem Spiel immer etwas für die Weiterentwicklung der Spieler*innen und für mich als Trainer mitzunehmen.“

Thema Leadership:

Sebastian: „Wie gehst du mit Fehlern von Athleten um?“

Detlef: „Natürlich ist ein wesentliches Trainingsziel in unserer Sportart, die Anzahl der Fehler im technischen, taktischen und mentalen Bereich in einem Wettkampf zu reduzieren, um erfolgreich sein zu können. Auf dem Weg dahin sind Fehler wichtig, um daraus zu lernen. Insofern ermutige ich die Spieler*innen zum Ausprobieren beim Erlernen neuer Muster. Dies führt dazu, dass es nicht in jeder Trainingseinheit nur um „Performance“ geht. Zudem versuche ich, Fehler nicht pauschal mit negativen Emotionen zu belegen. Das versuche ich auch den Spieler*innen zu vermitteln (was ist da gerade passiert, woran liegt es, welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?!)“

Sebastian: „Hat sich dieser Umgang bei dir über die Jahre entwickelt oder war das schon immer deine Sicht?“

Detlef: „Das hat sich entwickelt. Als junger Trainer war ich zu ungeduldig und habe gedacht, dass lernen im Spitzensport mit wenig Fehlern funktionieren sollte.“

Sebastian: „Was ist das Erste, was du machst, wenn du eine Mannschaft/einen Sportler übernimmst?“

Detlef: „Mich und meine Philosophie kurz vorstellen, beobachten, viele Gespräche führen und die Spieler*innen und Trainer*innen einladen, ihre Sichtweisen zu äußern. Zielsetzung: Mit dem Team eine Trainings- und Teamkultur aufbauen.“

Sebastian: „Worauf legst du besonderen Wert bei der Beziehung zu einer Mannschaft/einem Sportler?“

Detlef: „Offenheit, Ehrlichkeit, gegenseitiger Respekt. Klar abgestimmte Ziele und Erwartungen.“

Sebastian: „Was tust du, damit dein Athlet 100% gibt?“

Detlef: „Selbst 100% geben, Begeisterung wecken, verantwortungsbewusste Belastungssteuerung.“

Sebastian: „Wie bereitest du ein Feedback an einen Sportler im Training oder Wettkampf vor? Ist das spontan oder durchdacht? Wie gehst du vor?“

Detlef: „Es kommt beides vor. Bei Wettkämpfen in der Vor- und Nachbereitung immer systematisch, gleichzeitig aber von der Sprache her angepasst an den jeweiligen Typ. Im laufenden Training kurz gefasst, ich schaue sehr stark auf die emotionale Reaktion beim Gegenüber („erreiche ich die/den Spieler*in?!)“

Sebastian: „Wie wichtig ist dir Feedback durch deine Sportler? Wie holst du es gegebenenfalls ein?“

Detlef: „Feedback ist die Grundlage für Lernen. Wie beschrieben achte ich sehr auf die Reaktionen auf meine Ansprache. In unserer Halle gibt es einen Briefkasten, in den – auch anonym – Feedback eingeworfen werden kann. Wir haben systematische Spielerentwicklungsgespräche, über Fragebögen wird über die Aktivensprecher Feedback auch zu den Trainerpersonen eingeholt. Ich suche persönliche Gespräche.“

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