Das Interview mit René Spies – Bundestrainer des deutschen Bob-Teams

Bekomme einen Einblick in die persönlichen Werkzeuge von René

Name: René Spies – Bundestrainer des deutschen Bob-Teams

Alter: 48

Sportart: Bob

Thema Wettkampfvorbereitung:

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag vor dem Wettkampf vor? Was machst du für dich und warum?“

René: „Am Tag vor dem Wettkampf sind alle organisatorischen Vorbereitungen abgeschlossen. Trotzdem gehe ich alle Punkte nochmal durch und stelle mir dabei immer wieder Fragen: Hast du an alles gedacht? Fahren wir die richtige Einstellung? Wie wird das Wetter? Sind wir auf diese Wetterbedingungen vorbereitet? Sind die Aktiven gesund? Gehen wir mit dieser leichten Verletzung des/der Aktiven hinsichtlich des Wettkampfhöhepunktes ein zu großes Risiko ein? etc… Falls ich mir in der Beantwortung meiner eigenen Fragen unsicher bin, dann diskutiere ich das am Vortag des Wettkampfes gerne auch mal mit meinen Trainerkollegen.“

Sebastian: „Das sind wichtige Fragen, die du da nochmal für dich durchgehst. Gibt es sonst noch etwas, was du für die persönliche Vorbereitung machst? Bewusst Abends einen Film schauen oder so?“

René: „Ich habe keine sich wiederholende Vorgehensweise für mich persönlich am Abend vor einem WK.“

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag des Wettkampfs auf den Start vor? Was machst du für dich und warum?“

René: „Der erste Blick des Morgens richtet sich auf die Wetter-App, der zweite aus dem Fenster ob die Wetter-App das Richtige ansagt. Dann gehe ich nochmal alles durch und überlege, ob wir noch in irgendeinem Bereich für den Wettkampf nachsteuern müssen. Für mich persönlich mache ich nichts.“

Sebastian: „Was machst du die letzten Minuten, um dich auf den Wettkampf vorzubereiten? Was genau machst du bewusst oder unbewusst, um dich so richtig auf den Wettkampf einzustellen? Nutzt du bestimmte mentale Werkzeuge, Verhaltensweisen oder Vorgehen dazu?“

René: „In den letzten Minuten vor dem Start gehe ich zu jedem Aktiven und wünsche viel Erfolg für den Wettkampf. Dann begebe ich mich in den Startbereich und beobachte die Wettersituation, um uns gegebenenfalls hier nochmal mit Trainern oder Betreuern zu positionieren und die Aktiven über die Windsituation (Rücken- oder Gegenwind) zu unterrichten. Unmittelbar vor dem Start unserer Teams beobachte ich die ersten Bobs im Wettkampf und hole mir so Informationen über die Zeiten und die Eis- und Sichtverhältnisse, damit ich die Pilotinnen und Piloten kurz vor ihrem Start bei unerwarteten Änderungen nochmal auf die neue Situation vorbereiten kann. Ansonsten atme ich ruhig und tief und suche mir eine Position, von der aus ich alleine das Rennen beobachten kann und freue mich meistens auf den Wettkampf.“

Thema Motivation:

Sebastian: „Was sind deine Ziele als Trainer? Was motiviert dich, damit du die Mühen aufnimmst?“

René: „Die oberste Motivation oder mein größtes Ziel ist das Erreichen von Erfolgen bei Wettkampfhöhepunkten wie Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Aber auch die Unterstützung der Entwicklung von Athletinnen und Athleten und daraus resultierende Ergebnisse motivieren mich immer wieder. Das Einleiten von Prozessen und Projekten, die am Ende zu einer Verbesserung der Resultate oder auch zum Gewinn von Medaillen bei Höhepunkten führen fasziniert und motiviert mich. Erfolg ist in großen Teilen planbar, auch wenn man am Ende immer eine Menge Glück benötigt, um zum wichtigsten Zeitpunkt Erfolg zu haben. All diese Dinge motivieren mich in meinem Handeln.“

Sebastian: „Wen würdest du gerne mal trainieren?

René: „Dirk Nowitzki zu seiner aktiven Zeit.“

Sebastian: „Was machst du, wenn du vor einem Training mal keine Motivation hast?“

René: „Dann gehe ich trotzdem hin.“

Sebastian: „Wie gehst du da mit dir um?“

René: „Ich denke ehrlich gesagt nicht darüber nach.“

Thema Persönlich:

Sebastian: „Was würdest du deinem 14-jährigen Ich für einen Tipp geben, den du damals hättest gebrauchen können?“

René: „Ich würde ihm sagen: „Du machst das Ganze für dich. Nicht für deinen Trainer, deinen Verein, deinen Verband, deine Eltern oder sonst wen. Besonders mit deinem Trainer musst du schnell in eine offene Diskussion über Belastung und Beanspruchung eintreten, immer ein ehrliches Feedback geben und eine ehrliche Trainingsdatendokumentation führen. Darüber hinaus würde ich meinem 14-jährigen Ich raten sich mit Trainingslehre zu beschäftigen, sich auf diesem Gebiet immer weiterzubilden, sich mit dem Thema Ernährung zu befassen und mit einem Sportpsychologen zusammenzuarbeiten.“

Sebastian: „Das sind viele tolle Tipps für den 14-jährigen René. Darf ich fragen, wieso dir diese Tipps für junge Sportler wichtig sind?“

René: „Ich bin fest davon überzeugt, dass man durch die angesprochenen Dinge sehr viele Fehler vermeiden kann, schneller reift und viel zielgerichteter trainieren kann. Das Hauptproblem im deutschen Sport ist das Verhältnis von Trainer und Sportler. Hier gibt es oft eine Diskrepanz zwischen der Trainingsplanung und der Realisation. Je kleiner die Diskrepanz und je ehrlicher der Umgang zwischen Trainer und Aktiven, desto zielgerichteter, individueller und erfolgreicher kann das Training geplant werden.“

Sebastian: „Wann war der Punkt als du dich für den Leistungssport bzw. für eine professionelle Karriere entschieden hast? Was war der Auslöser bzw. Grund?“

René: „Mein Bruder war selbst Bobpilot und hat mich zu diesem Sport gebracht. Die größte Motivation war es, meinem größeren Bruder zu zeigen, dass ich es besser kann.“

Sebastian: „und wie kam es dann dazu, dass du dich entschieden hast, hauptberuflich Trainer zu werden?“

René: „Es gab die Option oder das Angebot, in dem Heimatverband NRW direkt nach meiner aktiven Zeit als leitender Trainer zu arbeiten und da der Sport meine Leidenschaft ist, habe ich nicht lange überlegt.“

Sebastian: „Was machst du morgens, um gut in einen Tag zu starten?“

René: „Leider meistens mit Gedanken an offene Aufgaben aufzustehen.“

Sebastian: „Welcher Spruch, Buch oder Mensch hat dich am meisten beeinflusst auf deinem Weg?“

René: „Mich haben immer wieder Sportlerinnen und Sportler mit großen Leistungen und Erfolgen beeindruckt und inspiriert. Wichtig dabei war und ist, dass diese Sportlerinnen und Sportler die Bodenhaftung nicht verlieren und eine gewisse Demut mitbringen, ansonsten sind aus meiner Sicht alle Erfolge wertlos. Beeinflusst hat mich zum Beispiel der Olympiasieg der USA 1980 im Eishockey. Das „Miracle on Ice“ hat mir gezeigt, was man mit Fleiß, Willen und Emotion erreichen kann. Beeindruckt hat mich zum Beispiel der unbändige Siegeswille von Bastian Schweinsteiger im WM-Finale 2014 gegen Argentinien. Sehr gut finde ich wie normal und bodenständig ein Superstar wie Dirk Nowitzki geblieben ist.“

Sebastian: „Danke für den Einblick! Wie suchst du dir deinen Ausgleich zum Sport? War das immer so oder hat sich das im Laufe der Zeit verändert?“

René: „Ich versuche regelmäßig Sport zu treiben, so viel Zeit wie möglich mit der Familie zu verbringen und Freunde nicht zu vernachlässigen, was mir allerdings in den letzten Jahren nicht sehr gut gelungen ist.“

Thema Fokus:

Sebastian: „Wodurch verlierst du den Fokus im Wettkampf oder Training? Fehlversuch eines Athleten, Schiedsrichterentscheidung…?“

René: „Mein Fokus liegt darauf, den Blick für das Wesentliche zu behalten.

Entscheidungen der Jury gefährden meinen Fokus am meisten.“

Sebastian:  „Wie findest du dann wieder den Fokus? Gibt es ein Werkzeug, ein Verhalten oder Vorgehen, dass du da nutzt?“

René: „Sich immer wieder darauf zu besinnen, worauf es in diesem Moment des Wettkampfes und Coachings ankommt.“

Thema nach dem Wettkampf:

Sebastian: „Was machst du direkt nach dem Wettkampf? Wie bereitest du einen Wettkampf nach?“

René: „Ich gucke mir zunächst die Fahrtzeitanalysen an, vergleiche diese mit der Fahrspur, den Startzeiten und dem Materialeinsatz und versuche so das Ergebnis zu verstehen und im besten Fall positive Erkenntnisse für die nächsten Wettkämpfe herauszuziehen.“

Sebastian:  „Wie lange denkst du noch an einen Wettkampf nachdem er vorbei ist?“

René: „Wenn die Analyse abgeschlossen ist, dann denke ich sehr schnell nicht mehr an den abgeschlossenen Wettkampf, sondern an den kommenden.“

Sebastian: „Wie gehst du mit einer Niederlage/schlechten Wettkampf um? Gibt es etwas systematisches?“

René: „Ich begebe mich in die Analyse, warum dieses Ergebnis so zu Stande gekommen ist.“

Sebastian: „Wie gehst du mit einem Sieg/guten Wettkampf um? Gibt es hier etwas systematisches?”

René: „Dis Systematik ist, dass ich mich nur über einen kurzen Zeitraum freue und dann an die nächsten Aufgaben denke.“

Thema Leadership:

Sebastian: „Wie gehst du mit Fehlern von Athleten um? Hat sich dieser Umgang bei dir über die Jahre verändert?“

René: „Wenn diese Fehler nicht bei Olympischen Spielen gemacht werden, dann sehe ich in jedem Fehler eine Chance es beim nächsten Mal besser zu machen und insgesamt stärker zu werden. Strategische Fehler kann man gut abstellen, Fehler aus einer Angst heraus bedürfen meist einer sportpsychologischen Unterstützung. Ich habe über die Jahre immer mehr festgestellt, dass Fehler wichtig sind.“

Sebastian: „Was ist das Erste, was du machst, wenn du eine Mannschaft/einen Sportler übernimmst?“

René: „Mit den Sportlerinnen und Sportlern rede ich über ihre Ziele und Ihre Vorstellung des Weges zur Zielerreichung. Diese Gespräche finden in Einzelgesprächen statt. Meine Zielsetzung, meine Vorstellung zur Zielerreichung, das, was ich von den Sportlerinnen und Sportlern erwarte und das, was sie von mir erwarten können, teile ich der Mannschaft in einer Mannschaftsbesprechung mit.“

Sebastian: „Worauf legst du besonderen Wert bei der Beziehung zu einer Mannschaft/einem Sportler?“

René: „Auf Kommunikation und Verlässlichkeit.“

Sebastian: „Was tust du, damit dein Athlet 100% gibt?“

René: „Das ist sehr unterschiedlich und hängt vom Typ ab. Den einen versuche ich zu reizen, anzutreiben und den anderen Typ versuche ich mit ausreichend Lob, angemessener Zielsetzung und vielen Gesprächen zu motivieren.“

Sebastian: „Wie bereitest du ein Feedback an einen Sportler im Training oder Wettkampf vor? Ist das spontan oder durchdacht? Wie gehst du vor?“

René: „Sowohl als auch. Ein intensives Feedback bereite ich schriftlich vor und gebe dies dann in einem Vieraugengespräch. Feedback gebe ich aber auch oft spontan und resultierend aus der Situation.“

Sebastian: „Wie wichtig ist dir Feedback durch deine Sportler? Wie holst du es gegebenenfalls ein?“

René: „Systematisch habe ich mir das noch nie eingeholt, zumindest nicht für mich persönlich. Für das Gesamtsystem Weltcupmannschaft wird das Feedback durch den Athletensprecher an den Verband und mich herangetragen.“

Sebastian: „darf ich fragen, was die Gründe für dich sind, dass du dir systematisch noch kein Feedback eingeholt hast?“

René: „Ich denke , dass das anonyme Feedback über die Athletensprecher das bessere und ehrlichere Feedback für mich ist. Früher mit meiner eigenen Trainingsgruppe habe ich mir das Feedback geholt, das ist ja auch für die Trainingsplanung wichtig. Als Cheftrainer, denke ich, bekomme ich kein unmittelbares, ehrliches Feedback.“

Foto @ Dietmar_Reker

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