Bekomme einen Einblick in die persönlichen Werkzeuge von Tim
Der nächste Gast in der Sportrunde: Tim Dieck – Eiskunstläufer und Olympiateilnehmer
Die Vorstellung von Tim findest du unter diesem Link
Alter: 27
Sportart: Eiskunstlauf
Wichtiger Hinweis: Die Teilnahme des Gasts an der Sport-Runde lässt keine Rückschlüsse darüber zu, ob eine sportpsychologische Zusammenarbeit mit Sebastian Altfeld besteht. Es ist lediglich ein Zeichen dafür, dass der*die Sportler*in/Trainer*in die dankenswerte Bereitschaft zeigt, die eigenen Ansichten und Ansätze zu teilen.
Thema Wettkampfvorbereitung:
Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag vor dem Wettkampf vor? Was machst du für dich und warum?“
Tim: „Fokussieren, meinen eigenen Plan durchgehen, wenn gegeben, dann Aufgaben von dir nochmal durchgehen. Beim Wettkampf ist es sehr wichtig, dass ich voll und ganz bei mir bin. Aus diesem Grund mache ich diese Aufgaben.“
Sebastian: „Hättest du ein Beispiel für Aufgaben, die du durchgehst, die du mit den Leser*innen teilen würdest? Und was ist Teil des Plans?“
Tim: „Atemübungen mit Musik im Ohr. Länger ausatmen als einatmen ( 4 sek. – 8 sek.). Teil des Plans ist, sich nicht zu sehr auf den Tagesablauf zu konzentrieren. Früher habe ich einen strikten Plan gehabt und mittlerweile nehme ich eher den Tag so wie er kommt. Dadurch das ich mit dem Gedanken an den Tag gehe, „nehme es wie es kommt“, bin ich gleichzeitig viel entspannter und auch mehr bei mir selbst.“
Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag des Wettkampfs auf den Start vor? Was machst du für dich und warum?“
Tim: „Meinen eigenen Plan durchgehen, mit Atemtechniken zu mir finden. Der Fokus soll ganz bei mir liegen und bei dem, was wir und ich tue.“
Sebastian: „Das scheint sehr wichtig zu sein. Gibt es sonst noch etwas, was du am Abend vorher machst? Unternimmst du etwas oder schaust du einen Film? Oder ist das ganz zufällig?“
Tim: „Ich probiere meist, den ersten Gedanken, der mir kommt, umzusetzen. Das Ganze gelang mir in der Vergangenheit noch nicht so gut, aber grundsätzlich ist es mir wichtig, aus einem Wettbewerb keine „besondere“ Zeit zu machen. Den Fokus darauflegen, dass es „nur“ eine weitere Performance an einem weiteren Tag ist und ich tun kann, wofür ich meine Leidenschaft über die Jahre entwickelt habe.“
Sebastian: „Was machst du die letzten Minuten, um dich auf den Wettkampf vorzubereiten? Was genau machst du bewusst oder unbewusst, um dich so richtig auf den Wettkampf einzustellen?“
Tim: „Das Programm oder den Lauf im Kopf nochmal durchgehen. Die Atmung kontrollieren, um Ruhe zu bewahren.“
Thema Motivation:
Sebastian: „Was machst du, wenn du im Training mal keine Motivation mehr hast?“
Tim: „Ich probiere, aktiv an verschiedene Ziele zu denken und analysiere, woher es kommen könnte.“
Sebastian: „Danke für deine Antwort. Darf ich fragen, was das dann für Ziele sein können?“
Tim: „Ganz klar die Zahl 20! Klappt etwas nicht, vielleicht durch mangelnde Motivation, dann einem selbst dem Freiraum geben, dass Fehler passieren können und man nicht immer 24/7 Vollgas geben kann. Das ist menschlich, hast du mir mal gesagt.“
Sebastian: „Wie gehst du da mit dir um, wenn du im Training mal keine Motivation mehr hast?“
Tim: „Ich bin grundsätzlich, wenn so etwas vorkommt, sehr unruhig und frage mich, wie das zustande kommt. Der Umgang mit mir selbst ist in solchen Situationen nicht sehr gut.“
Sebastian: „Das ist eine ehrliche Antwort. Das ist für viele junge Sportler*innen sicherlich hilfreich zu hören, dass ein Profisportler auch Schwierigkeiten hat. Hättest du da einen Ratschlag für diese Sporler*innen?“
Tim: „Unser menschlicher Körper und Kopf hat sich über viele, viele Jahre entwickelt. Der Mensch an sich hat in jeglicher Situation gelernt, sich anzupassen. Wenn man ein großes Ziel vor Augen hat und sich über Jahre hinweg einen strukturierten Plan erstellt, wird auch DEIN Körper bzw. Kopf lernen, sich anzupassen. Wir sind keine Maschinen und bei uns passiert alles in normalen Fällen auf ganz natürlichem Wege. Wenn du also dein großes Ziel vor Augen hast, ist es trotzdem okay, auch mal keine Motivation zu haben. Das bedeutet in den meisten Fällen, dass dein Körper dir sagt,: „Hey, ich bin müde!“. Das ist ganz normal! Denn wenn dein Herz das Ziel und die Leidenschaft vor Augen hat, wird auch die Motivation zurückkommen.“
Thema Persönlich:
Sebastian: „Was würdest du deinem 14-jährigen Ich für einen Tipp geben, den du damals hättest gebrauchen können?“
Tim: „Ich versuche Gedanken von mir selbst genauer zu verstehen, um diese positiv für mich zu nutzen, zum Beispiel: „Bleib öfter ruhig!“, oder „In der Ruhe liegt sehr oft die Kraft!“
Sebastian: „Wann war der Punkt als du dich für den Leistungssport bzw. für eine professionell Karriere entschieden hast?“
Tim: „Ca. 11 Jahre war ich zu diesem Zeitpunkt, wo ich wusste, ich möchte gerne auf eine professionelle Schien hinarbeiten.“
Sebastian: „Und was war dafür ausschlaggebend? Gab es einen bestimmten Moment oder Einfluss?“
Tim: „Ich wollte immer der Beste sein in dem, was ich tue! Das hat mich auch sehr oft in Schwierigkeiten gebracht, wie du weißt. 😀 Aber ich denke, als ich das erste Mal so richtig vom olympischen Feuer gehört habe und viele Events im Fernseher verfolgt habe, war mir klar, dass ich dahin möchte! Es war wie Feuer in meinen Augen.“
Sebastian: „Was machst du morgens, um gut in einen Tag zu starten?“
Tim: „Meinen Tagesplan im Kopf durchgehen.“
Sebastian: „Geht es dabei um deine Aufgaben? Machst du sonst noch etwas?“
Tim: „Ja, um meine Aufgaben. Aber oft hilft es mir auch, einfach die Augen nochmal zuzumachen und im Kopf durchzugehen, was ich eigentlich für ein cooles Leben leben darf. Gesund sein, Familie und Freunde um sich zu haben, und Leistungssport auszuüben, ist ein absolutes Privileg in der heutigen Zeit. Ein Lächeln im Gesicht, um in den Tag zu starten, hilft immer ;).“
Sebastian: „Welcher Spruch, Buch oder Mensch hat dich am meisten beeinflusst auf deinem Weg?“
Tim: „Roger Federer“.
Sebastian: „Was machst du in deiner Freizeit, wenn du kein Training/ Wettkampf hast? Warum machst du das? War das schon immer so?
Tim: „Freunde treffen, um die Freundschaften zu pflegen, da ich diese als sehr wichtig empfinde. Und am Wochenende gerne mal ausgehen, um auf andere Gedanken zu kommen.“
Thema Misserfolg:
Sebastian: „Wodurch verlierst du den Fokus im Wettkampf oder Training? Fehlversuch, Schiedsrichterentscheidung…?“
Tim: „Fehlversuche sind bei mir ein sehr schwieriges Thema. Ich komme sehr schnell in den Modus, wo mich Fehlversuche sehr aufregen.“
Sebastian: „Wie findest du nach einem Fehler oder Misserfolg wieder den Fokus?“
Tim: „Ich bin meistens so in Rage, dass es lange dauern kann, bis ich wieder beruhigt an das Training gehen kann. Aber wenn, dann auf jeden Fall durch die magische Zahl „20“.“
Sebastian: „Dürfte ich fragen, was diese Zahl bedeutet in diesem Kontext?“
Tim: „Die Zahl 20 haben wir zusammen ausgearbeitet, um mir einen Anhaltspunkt zu geben, wie viele Fehler ich zulassen darf, ohne daran zu verzweifeln. Wie vorher schon gesagt, bin ich ein überehrgeiziger Mensch und da hilft es sehr, sich selbst einen gewissen Spielraum zu lassen, bevor man sofort verzweifelt.“
Sebastian: „Was bedeutet für dich ein Fehler oder Rückschlag im Training oder Wettkampf? Gibt es Unterschiede zwischen Training und Wettkampf?“
Tim: „Nach einem schlecht gelaufenen Wettkampf dauert es meist länger als bei einem Rückschlag im Training. Rückschläge sind im Allgemeinen aber für mich immer sehr schwierig zu behandeln.“
Sebastian: „Weil sie was für dich bedeuten?“
Tim: „Misserfolg, Schwäche und Angst vor dem Versagen. Es ist besser geworden, aber wie gesagt, ich stehe trotzdem lieber ganz oben ;).“
Sebastian: „Hat sich diese Bedeutung verändert?“
Tim: „Nein.“
Sebastian: „Danke für deine Ehrlichkeit. Es ist toll, so viele ehrliche Antworten zu bekommen.“
Tim: „Die Bedeutung an sich ist noch immer die gleiche, würde ich sagen. Allerdings ist es mittlerweile so, dass ich mir mehr Spielraum gebe und im Allgemeinen ruhiger mit Fehlern umgehe.“
Thema nach dem Wettkampf:
Sebastian: „Was machst du direkt nach dem Wettkampf? Wie bereitest du einen Wettkampf nach?“
Tim: „Vor dem ersten Training nach dem Wettkampf analysieren und dann erstellen, was ich besser machen kann.“
Sebastian: „Und wie gehst du da bei der Analyse vor?“
Tim: „Ich schaue mir meist die Wettbewerbsvideos von mir selbst an und schaue, wo ich etwas besser machen kann. Mir fällt dabei immer sehr viel auf und die Liste wäre viel zu lang, um sie komplett abzuarbeiten. Also fokussiere ich mich auf das Wichtigste und probiere dann gemeinsam mit meinen Trainern, daran zu arbeiten. Oft vergleiche ich mich auch selbst mit meinen Vorbildern und schaue, wie ich die Art, die ich an ihnen so schätze, für mich nutzen kann.“
Sebastian: „Wie lange denkst du noch an einen Wettkampf, nachdem er abgeschlossen ist?“
Tim: „Immer unterschiedlich. Je nachdem, wie groß der Wettkampf war und wie er gelaufen ist.“
Sebastian: „Wie gehst du mit einer Niederlage/ schlechten Wettkampf um? Gibt es etwas Systematisches?“
Tim: „Ich habe noch kein richtiges System für mich selbst entwickelt.“
Sebastian: „Wie gehst du mit einem Sieg/ guten Wettkampf um? Gibt es hier etwas Systematisches?“
Tim: „Ich versuche zu schauen, an was ich selbst gedacht habe, bevor ich dann eine gute Leistung abgerufen habe.“
Sebastian: „Um dies dann wiederholen zu können?“
Tim: „Nicht unbedingt wiederholen. Aber zu mindestens das positive Gefühl, welches ich hatte, erneut hervorzurufen. Aus positiven Gedanken, die wirklich entspannt und selbstsicher sind, kamen bei mir auch meist wiederholt positive Umsetzungen heraus.“
Thema Trainer*in:
Sebastian: „Was macht für dich einen guten Jugendtrainer aus?“
Tim: „Er kann auf Kinder eingehen und verstehen, was sie brauchen, um ggfs. jeden Tag motiviert zum Training zu kommen. Er ist im besten Fall eine Ersatzerziehungsperson und ist dafür zuständig, aus dem Kind einen erwachsenen Sportler zu machen, mit allem, was dazugehört.“
Sebastian: „Das ist eine spannende Sicht! Was gehört denn deiner Meinung nach zu einer*m erwachsenen Sportler*in?“
Tim: „Ein erwachsener Sportler weiß über sich und seinen eigenen Körper so gut es geht Bescheid. Damit meine ich zum einen, dass er versteht, wie viel er im Training machen kann, aber auch, wann eine Pause eingelegt werden muss. Im besten Fall versteht der Sportler auch, wie viel er unternehmen muss, um seine für sich gesetzten Ziele zu erreichen. Er versteht sich selbst ohne Hilfe von einem Trainer. Der Trainer gibt den Weg bei einem erwachsenen Sportler nicht mehr vor, sondern begleitet ihn.“
Sebastian: „Und welche Kompetenzen braucht der*die Trainer*in, um diese Punkte bei Sportler*innen zu erreichen?“
Tim: Definitiv Empathie und die Möglichkeit bzw. das Wissen, verschiedene Trainingsarten aufzuzeigen. Jeder Sportler funktioniert anders und braucht dementsprechend auch anderes Training und einen anderen Umgang. Der Trainer sollte die Fähigkeit haben, so auf einen Sportler eingehen zu können, dass er ihn zu 100 % versteht und ihm somit, seine eigenen erfolgreichsten Wege aufzuzeigen. Außerdem sollte ein Trainer die Kompetenz besitzen, den Umgang mit „Krisen“ zu bewältigen. Ein Trainer möchte immer das Beste für seinen Sportler, das ist klar. Das stimmt allerdings manchmal nicht mit dem überein, was der Sportler denkt. Um eine solch entstehende „Krise“ dann zu bewältigen, muss der Trainer genau verstehen, welche Knöpfe er zu drücken hat, um für beide Seiten das Bestmögliche herauszuholen.“
Sebastian: „Wie stellt ein Trainer zu dir eine zielführende Beziehung her?“
Tim: „Mit Einzelgesprächen entfernt vom Trainingsort. Sich neben dem Training kennen lernen. Es wird darüber gesprochen, was für Ziele und Vorstellungen man gegenseitig hat.“
Sebastian: „Was stört dich an einem Trainer? Wodurch nimmt dir der Trainer die Motivation?“
Tim: „Lustlosigkeit und keine klaren Zielstellungen, durch Entscheidungen, die für mich nicht nachvollziehbar sind.“