Das Interview mit Steffen Hamann – Jugendtrainer beim FC Bayern München Basketball und 131-facher deutscher Nationalspieler

Bekomme einen Einblick in die persönlichen Werkzeuge von Steffen

Name: Steffen Hamann – Jugendtrainer beim FC Bayern München Basketball und 131-facher deutscher Nationalspieler

Alter: 39

Sportart: Basketball

Thema Wettkampfvorbereitung:

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag vor dem Wettkampf vor? Was machst du für dich und warum?“

Steffen: „Nach der Trainingswoche und dem „letzten“ Training am Vorabend versuche ich eigentlich komplett Abstand zu gewinnen vom sportlichen, und mich mit Freunden(in) auf andere Gedanken zu bringen. Natürlich nicht so einfach, weil man doch immer irgendwie im „ON“ ist mit WhatsApp-Themen die spontan von Spielern oder Eltern kommen können.

Meine Idee ist es so weit es geht aus der Gedankenwelt Spiel wegzukommen.

Warum? Ist eine gute Frage, die ich kurz beantworten würde mit: „weil es sich gut anfühlt“.

Ich denke es tut jedem Trainer, Sportler, Menschen gut ab und an Abstand zu gewinnen von Themen, mit denen man tagtäglich fast 24/7 zu tut hat. So lassen sich die Dinge besser einordnen und einschätzen. Sich selbst wieder ordnen und finden ist wichtig, um sich nicht zu verlieren.

Schon als Spieler habe ich versucht Ventile aus der „Performance-Welt“ zu finden. Sei es ein Besuch im Kino, ein Spieleabend oder ein ruhiger Vormittag am See beim Angeln gewesen, diese Ablenkungen haben mir geholfen, um vom Druck des Leistungssports ein wenig wegzukommen.“

Sebastian: „Ich danke dir sehr für diesen Tipp. Ich glaube, dass da einige Trainer und Spieler die ich kenne, drüber nachdenken sollten!“

 Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag des Wettkampfs auf den Start vor? Was machst du für dich und warum?“

Steffen: „Ich muss zugeben, dass ich jemand bin der je höher der Druck ist bzw. je näher das Spiel rückt innerlich ruhiger wird. Es gibt für mich am Wettkampftag keine festen Rituale die ich einhalte oder benötige. Vielleicht die Tatsache, dass ich schon sehr zeitig bei Heimspielen versuche in der Halle zu sein um dort für Ordnung, sei es bei mir oder beim Umfeld in der Halle oder Kabine zu sorgen. Ich mag ein ordentliches „Arbeits“-umfeld.

Ansonsten ist es für mich wichtig eine gewisse Lockerheit (Authentisch) bei den Kids an den Tag zu legen. Ich denke die meisten der Jungs setzen sich eh schon zu viel unter Druck, dies versuche ich entgegenzuwirken mit einem lockeren Spruch etc.“

Sebastian: „Was machst du die letzten Minuten, um dich auf den Wettkampf vorzubereiten? Was genau machst du bewusst oder unbewusst, um dich so richtig auf den Wettkampf einzustellen? Nutzt du bestimmte mentale Werkzeuge, Verhaltensweisen oder Vorgehen dazu?“

Steffen: „Die Ausstrahlung des Coaches ist von enormer Bedeutung. Ich versuche mit einer positiven und fokussierten Körpersprache aufzutreten. Ansonsten handele ich situativ.

Warm-up Routinen, Meeting etc. haben meist ihren festen Rhythmus.“

Sebastian: „Und hast du da auch eigene Routinen neben der Orga?“

Steffen: „Grundsätzlich habe ich keine festen Routinen. Hört sich vielleicht jetzt schräg an aber ein ordentliches Auftreten sei es ein Lächeln, Plausch mit den Eltern, gemachte Haare und ein ordentliches Polohemd helfen mir damit ich mich gut fühle.“

Sebastian: „Kommt es vor, dass du noch aufgeregt bist und wie schaffst du dann den Fokus?“

Steffen: „Absolut. Aufregung ist was Gutes und hilft, um gut zu performen. Aufregung heißt nicht nervös zu sein und somit unsicher.

Ich mochte das Gefühl als Spieler schon nicht, wenn die Aufregung nicht da war.“

Thema Motivation:

Sebastian: „Was sind deine Ziele als Trainer? Was motiviert dich, damit du die Mühen aufnimmst?“

Steffen: „Die Liebe zum Basketball gibt mir die Energie und die Motivation zu dem was ich tue. Coach ist man ja nicht nur während der Zeit  in der man in der Halle steht, sondern quasi 24/7…Ohne Leidenschaft und Hingabe kann man diese wundervolle aber natürlich auch zum teil intensive Aufgabe nicht erfüllen.

Mein oberstes Ziel ist es eigentlich grundsätzlich die Leidenschaft vorzuleben und Kids zu besseren Spielern und auch menschlich zu entwickeln. Mein Ziel ist es nicht irgendwelche Meisterschaften zu gewinnen, wenn das am Ende der Erfolg ist, den die Mannschaft erreicht umso besser, aber nicht mit Teufel komm raus Manier.“

Sebastian: „Das finde ich eine schöne Haltung als Trainer“

Steffen: „Für wichtig empfinde ich es immer die Augen und Ohren offen zu halten für „neue“ Dinge und Methoden. Sich ab und an selbst zu reflektieren aber auch bereit zu sein „Kritik“ bzw. Fremdreflektion zuzulassen halte ich für wichtig. Ein ehrliches, offenes und vertrauensvolles Umfeld ist enorm wichtig, um sich selbst entfalten zu können und sich zu entwickeln.“

Sebastian: „Wen würdest du gerne mal trainieren?                        

Steffen: „Da gibt es niemanden speziellen. Die Jungs, die ich bisher trainieren durfte und auch aktuell darf liegen mir sehr am Herzen. Es ist schön zu sehen, wenn sich die Jungs entwickeln – wenn dann eines Tages der ein oder andere „oben“ ankommt würde mich natürlich sehr stolz machen.

Schön ist es wenn man ein DANKE bekommt, sei es vom Spieler selbst oder von den Eltern.“

Sebastian: „Was machst du, wenn du vor einem Training mal keine Motivation hast?“

Steffen: „Ein Trainer, den ich in meiner Karriere erleben durfte, hatte einen guten Spruch an seine Spieler: „Wir Trainer sind da, um euch Spieler zu motivieren – aber WER motiviert uns Trainer“? Das sehe ich auch so und erlebe es hin und wieder, dass man sobald man die Jungs in der Halle sieht die Motivation kommt bzw. man nicht mehr so demotiviert ist. Grundsätzlich bin ich es aber von allein.“

Thema Persönlich:

Sebastian: „Was würdest du deinem 14-jährigen Ich für einen Tipp geben, den du damals hättest gebrauchen können?“

Steffen: „Lang ist es her. Mein Umfeld Familie und meine Trainer haben mir immer das Gefühl gegeben, dass es kein Zwang ist zum Training zu gehen, ich habe für MICH entschieden – so schwer es auch ab und an war – ins Training zu gehen und den inneren Schweinehund zu überwinden. Darauf bin ich sehr stolz und hat mir auch den Weg geebnet Basketballprofi zu werden.

Meiner Meinung nach habe ich aus dem „Talent“ dass ich hatte sehr viel ausgeschöpft.

Mein Tipp: genieße es, wenn du gerne ins Training gehst und versuche die Phasen in denen es schwerfällt und vielleicht mal nicht so läuft zu überstehen und kämpfe dich durch. Es ist wie immer im Leben ein up and down.“

Sebastian: „Danke für den Einblick. Ich glaube, davon könnten viele junge Spieler und auch Eltern profitieren“

Sebastian: „Wann war der Punkt als du dich für den Leistungssport bzw. für eine professionelle Karriere entschieden hast? Was war der Auslöser bzw. Grund?“

Steffen: „Mit 14 sagte ich zu meinen Eltern „ich will Basketballprofi werden“. Ein großer Anteil hatte sicherlich die Tatsache, dass in meinem Ort ein 2. Liga Team gespielt hat und das ein oder andere Idol mit mir trainiert hat oder auch nur mal einen Klapps auf den Hintern gegeben hat nach einer Trainingseinheit. Wahrgenommen zu werden von den Vorbildern hat mir einen Schub gegeben.

Trainer gehabt zu haben die immer an einen geglaubt und gepusht haben hat natürlich auch einen großen Anteil. Strukturen wie sie damals in Bamberg waren ist auch ein Faktor… „

Sebastian: „Was machst du morgens, um gut in einen Tag zu starten?“

Steffen: „Am Vortag gut und gesund essen, zeitig ins Bett gehen! Glass heißes Wasser, kurz auf die Matte und Mobilisieren…. Und los geht’s…“

Sebastian: „Welcher Spruch, Buch oder Mensch hat dich am meisten beeinflusst auf deinem Weg?“   

Steffen: „MJ war sicherlich jemand der mich geprägt hat damals. Ansonsten waren es Mitspieler, die ich hatte, die mir geholfen haben den Weg zu gehen.

Das „WIE“ ist bei mir hängen geblieben. Man darf verlieren aber auf das „WIE“ kommt es an.“

Sebastian: „Wie suchst du dir deinen Ausgleich zum Sport? War das immer so oder hat sich das im Laufe der Zeit verändert?“

Steffen: „Familie und Freunde. Ich kann mich glücklich schätzen, dass mein Umfeld sehr stabil und hilfreich war auf meinem Weg. Raus in die Natur hat mir immer geholfen.

Meistens war aber der Sport selbst auch mein Ausgleich zu ALLEM. Man verliert sich im Training und man beschäftigt sich in dieser Zeit nicht mit Dingen, die einem Energie rauben, dass habe und tu es auch weiterhin als sehr schön empfunden.“

Thema Fokus:

Sebastian: „Wodurch verlierst du den Fokus im Wettkampf oder Training? Fehlversuch eines Athleten, Schiedsrichterentscheidung…?“

Steffen: „Wenn ich das Gefühl habe, dass wir, bzw. im Jugendbereich geht es um die Kids, benachteiligt und nicht fair behandelt werden kann ich mich schon verlieren. Ist aber natürlich wie so häufig meine eigene Sichtweise… Das ist schon besser geworden, aber daran werde ich noch weiterarbeiten müssen. Ansonsten mag ich es nicht, wenn sich Schiedsrichter zu wichtig nehmen und die Kids nicht „spielen“ lassen. Zu viele unnötige Unterbrechungen machen den Spielfluss kaputt.“

Sebastian: „Wie findest du dann wieder den Fokus? Gibt es ein Werkzeug, ein Verhalten oder Vorgehen, dass du da nutzt?“

Steffen: „Atmung – einfach mal durchatmen und sich wieder besinnen. Ansonsten lenkt man den Fokus der Jungs in die falsche Richtung. Ein Spezielles Werkzeug habe ich nicht außer die Erfahrungen, die man gesammelt hat – dazu hilft es natürlich auch Selbst- und Fremdreflektion erfahren zu haben.

„Danke für den wertvollen Tipp mit der Atmung. Ein tolles Werkzeug“

Thema nach dem Wettkampf:

Sebastian: „Was machst du direkt nach dem Wettkampf? Wie bereitest du einen Wettkampf nach?“

Steffen: „Ich versuche es zu vermeiden die Emotionen (vor allem negative) die man direkt nach dem Spiel ab und an in sich trägt mit in die Kabine zu nehmen. Nach gewissen Abstand – nächstes Training – ist meist ein besserer Zeitpunkt über das Spiel zu reden. Spielanalyse per Video und Feedbackgespräche gehören zu den Standards nach einem Spiel. In Einzel und Teamgespräch wird dann meist über das Spiel gesprochen.“

Sebastian: „Wie lange denkst du noch an einen Wettkampf nachdem er vorbei ist?“

Steffen: „Das kommt ganz darauf an wie der Wettkampf gelaufen ist bzw. wie die einzelnen Jungs agiert haben. Grundsätzlich versuche ich immer nach vorne zu schauen nachdem ich den Wettkampf, der hinter uns liegt, abgehandelt habe.“

Sebastian: „Wie gehst du mit einer Niederlage/schlechten Wettkampf um? Gibt es etwas systematisches?“

Steffen: „Nope, nichts Systematisches.

Es kommt aufs WIE darauf an. Gerne verliere ich ein Spiel, wenn wir als Team und jeder einzelne, dass getan hat was er tun kann. Anders gesagt mag ich es auch nicht Spiele zu gewinnen bei denen wir total „underperformt“ haben. Ich definiere da eher nicht nach Sieg oder Niederlage.“

Sebastian: „Wie gehst du mit einem Sieg/guten Wettkampf um? Gibt es hier etwas systematisches?”

Steffen: s.o.

Thema Leadership:

Sebastian: „Wie gehst du mit Fehlern von Athleten um? Hat sich dieser Umgang bei dir über die Jahre verändert?“

Steffen: „Fehler? Grundsätzlich sind Fehler was Gutes.  Aus diesen kann ein junger Athlet doch am meisten lernen, vorausgesetzt man bringt ihm diese ordentlich nahe. Da ist es oft nicht gut direkt mit den in-Game-Emotionen zu handeln.

Dabei ist es aus meiner Sicht wichtig jeden Athleten individuell zu betrachten und zu kennen. Wege zu finden mit verschieden Charakteren und Spielern mit verschiedensten Hintergründen zu kommunizieren ist die große Kunst eines Coaches.

Mit immer mehr Abstand zum Profigeschäft und dem immer tieferen eintauchen in die Jungend- und Coaches-arbeit finde ich mich immer mehr dazu hingezogen den Athleten/Mensch ganzheitlich zu betreuen und nicht nur an Sieg und Niederlage festzuhalten.“

Sebastian: „das heißt, die Sichtweise war mal anders?

Steffen: „Gezwungenermaßen ja, und ich habe ehrliche gesagt auch nie wirklich darüber nachgedacht als Spieler. Für mich gab es immer nur ALLES geben und versuchen Spiele zu gewinnen.

In den Teams, in denen ich gespielt habe, war immer ein hoher Leistungsanspruch und auch Druck.

In meiner Anfangszeit als Jungendcoach war ich im Nachhinein wahrscheinlich zu verbissen die Kids auf Sieg zu „drillen“. Mittlerweile sind andere Dinge wichtiger geworden. Aber nicht falsch verstehen, es geht schon auch ums Gewinnen bzw. Duelle zu gewinnen, ob individuell oder als Team. Das sollte so selbstverständlich sein wie der Fisch im Wasser“

Sebastian: „Was ist das Erste, was du machst, wenn du eine Mannschaft/einen Sportler übernimmst?“

Steffen: „Einen humorvollen Start finden. Blickkontakt, Handschlag, lockeren Spruch…und beobachten. Ich versuche damit, vor allem bei Kids, die Anspannung, die sie meist in sich tragen zu nehmen.“

Sebastian: „Worauf legst du besonderen Wert bei der Beziehung zu einer Mannschaft/einem Sportler?“

Steffen: „Ehrlicher, fairer und offener Umgang. Positives Miteinander.“

Sebastian: „Was tust du, damit dein Athlet 100% gibt?“

Steffen: „Grundsätzlich sollte dies vom Athleten von allein kommen. Ich versuche nur die optimalen Rahmenbedingungen zu schaffen.“

Sebastian: „Wie bereitest du ein Feedback an einen Sportler im Training oder Wettkampf vor? Ist das spontan oder durchdacht? Wie gehst du vor?“

Steffen: „Ich mache mir meine Gedanken was ich dem Sportler vermitteln will und wie ich darüber denke. Lege mir einige Punkte im Kopf zurecht. Versuche erstmal seine Sicht der Dinge zu erfragen. Meist ist das sehr interessant und erklärt schon einiges. Deshalb sind diese Gespräche auch sehr schwer planbar und leben von Spontanität und Handlungsgeschick.“

Sebastian: „Wie wichtig ist dir Feedback durch deine Sportler? Wie holst du es gegebenenfalls ein?“

Steffen: „Feedback zu mir? Dafür bin ich offen und frage die Jungs, meist in lockeren individuellen Gesprächen vor oder nach dem Training, wie ich ihnen vielleicht besser helfen kann, was ihnen nicht so guttut. Dabei ist es natürlich einfacher, wenn man sich schon länger kennt und vertrauen aufgebaut hat.“

Bilder (c)Eirich

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