Das Interview mit Franziska Hentke – ehemalige deutsche Schwimmerin, Olympiateilnehmerin, Vize-Weltmeisterin und angehende Diplom-Trainerin

Bekomme einen Einblick in die persönlichen Werkzeuge von Franziska

Name: Franziska Hentke – ehemalige deutsche Schwimmerin, Olympiateilnehmerin, Vize-Weltmeisterin und angehende Diplom-Trainerin

Den Vorstellungsbeitrag von Franziska findest du unter folgendem Link

Alter: 34

Sportart: Schwimmen

Wichtiger Hinweis: Die Teilnahme des Gasts an der Sport-Runde lässt keine Rückschlüsse darüber zu, ob eine sportpsychologische Zusammenarbeit mit Sebastian Altfeld besteht. Es ist lediglich ein Zeichen dafür, dass der*die Sportler*in/Trainer*in die dankenswerte Bereitschaft zeigt, die eigenen Ansichten und Ansätze zu teilen. 

Thema Wettkampfvorbereitung:

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag vor dem Wettkampf vor? Was machst du für dich und warum?“

Franziska: „Ich bin ein sehr strukturierter und organisierter Mensch. Da wir immer mehrere Rennen von mehreren Sportlern an einem Tag haben, ist es für mich extrem wichtig, den genauen Ablauf für den Wettkampftag zu kennen und zu verinnerlichen. Deshalb spreche ich mit jedem Sportler den individuellen Zeitplan ab und versuche mich dann möglichst optimal zu organisieren, damit ich allen Sportlern gerecht werden kann. Für mich selbst bleibt dann meistens nicht mehr viel Zeit, dennoch versuche ich noch ein paar Seiten zu lesen oder höre mir einen Podcast an. Der Kontakt zur Familie darf dabei definitiv nicht fehlen.“

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag des Wettkampfs auf den Start vor? Was machst du für dich und warum?“

Franziska: „Ich fahre/ gehe mit dem Sportler, der als erstes dran ist gemeinsam in die Halle. Danach läuft eher ein Autopilot ab. Die Wettkampftage sind meistens sehr lang und die Rennen sind hintereinander weg. Deshalb ist das Zeitmanagement für mich sehr wichtig, damit alle Sportler bestmöglich betreut werden können. Wenn dann eine Pause ist, suche ich die frische Luft, um durchzuatmen und trinke gerne auch einen Kaffee.“

Sebastian: „Was machst du die letzten Minuten, um dich auf den Wettkampf vorzubereiten? Was genau machst du bewusst oder unbewusst, um dich so richtig auf den Wettkampf einzustellen? Nutzt du bestimmte mentale Werkzeuge, Verhaltensweisen oder Vorgehen dazu?“

Franziska: „In den letzten Minuten vor dem Wettkampf steht der Sportler für mich an allererster Stelle. Wenn der Sportler im Vorfeld noch Hinweise für das Rennen braucht oder einfach nochmal sprechen möchte, stehe ich jederzeit zur Verfügung bis der Sportler zum Start geht. Unmittelbar vor dem Rennen habe ich mir meine Routine aus meiner aktiven Karriere beibehalten und nehme noch einen tiefen Atemzug. Das war/ ist für mich immer „der Startschuss“ für das Rennen.“

Sebastian: „Darf ich Fragen wie diese Routine aussieht bzw. aussah?“

Franziska: „Ich hatte in den letzten 2 Stunden vor meinem Rennen immer den gleichen Ablauf, der mir immer Sicherheit gegeben hat. 1,5 Stunden vor meinem Rennen bin ich zum Einschwimmen gegangen für ca. 30min. Anschließend bin ich das Rennen im Kopf noch einmal durchgegangen. 30 min vor meinem Rennen habe ich meinen Rennanzug angezogen, um pünktlich 20 min vor meinem Start im Call Room zu sein. Wenn es auf die Startbrücke raus ging, habe ich den Blick durch die Halle schweifen lassen, bin immer von der rechten Seite auf den Startblock gestiegen (soweit möglich!), ein letzter tiefer Atemzug auf dem Startblock und ich war bereit für mein Rennen.“

Thema Motivation:

Sebastian: „Was sind deine Ziele als Trainer? Was motiviert dich, damit du die Mühen aufnimmst?“

Franziska: „Mein Ziel als Trainer ist das Beste aus jedem einzelnen Sportler herauszuholen und ihn neben der sportlichen Laufbahn auch in seiner Persönlichkeit zu entwickeln.“

Sebastian: „Und wie erreichst du diese Persönlichkeitsentwicklung? Das ist ein toller Ansatz und es ist spannend, wie du das machst. Eine Trainerin hat mir mal berichtet, dass sie die Sportler*innen nach Trainings Tagebuch führen lässt und das systematisch weiter aufbaut, um die Reflexionsfähigkeit zu entwickeln. Wie machst du das?“

Franziska: „Für mich ist es wichtig, dass sich ein Sportler mit dem Sport und seiner Leistung auseinandersetzt und nicht nur wartet, dass der Trainer dem Sportler schon das Richtige vorgeben wird. Der Sportler soll für sich selbst herausfinden, was ihm in bestimmten Phasen gut tut bzw. was er braucht. Dafür gehört auch für mich eine Trainingsdokumentation, um im Anschluss an eine Leistung zu sehen, welches Training wie gut funktioniert hat. Ein weiterer wichtiger Faktor ist für mich die Selbstständigkeit im Sport und auch im Alltag.“

Sebastian: „Wen würdest du gerne mal trainieren?

Franziska: „Für mich gibt es keine bestimmte Person, die ich gerne trainieren möchte. Durch die verschiedenen Persönlichkeiten ist jeder Sportler auf seine Art und Weise eine Herausforderung, die ich sehr gerne annehme.“                

Sebastian: „Was machst du, wenn du vor einem Training mal keine Motivation hast?“

Franziska: „In dieser Situation bin ich in meiner kurzen Trainerlaufbahn zum Glück bisher nicht oft gewesen. Dennoch profitiere ich auch da aus meiner aktiven Zeit. Ich konnte mich an schwierigen Tagen immer wieder mit meinen Zielen motivieren. Damals war es nur mein eigenes Ziel und jetzt sind es die Ziele meiner Sportler und meine eigenen Ziele.“

Sebastian: „Wie gehst du da mit dir um?“

Franziska: „In solchen Momenten bin ich sehr streng zu mir selbst. Da ich von meinen Sportlern immer vollen Einsatz und Fokus erwarte, muss ich das auch so vorleben und kann mich nicht hängen lassen.“

Thema Persönlich:

Sebastian: „Was würdest du deinem 14-jährigen Ich für einen Tipp geben, den du damals hättest gebrauchen können?“

Franziska: „Versuche aus jeder Trainingseinheit das Optimum herauszuholen, denn die Zeit kann nicht zurückgedreht werden. Außerdem gebe ich gerne den Tipp, sich nicht mit Sachen aufzuhalten, die ich nicht ändern bzw. beeinflussen kann.“

Sebastian: „Das sind tolle Hinweise. Wieso diese?“

Franziska: „Diese Hinweise waren bzw. sind auch heute noch extrem wichtig in meiner eigenen Trainerlaufbahn. Wenn ich ein Training/ Tätigkeit für den Tag nicht optimal ausgeführt habe, dann kann ich dies im Nachgang nicht mehr verändern und das ist schade. Wenn ich etwas mache, mache ich es zu 100 Prozent, so wie es an dem Tag möglich ist. Außerdem sollte man versuchen, bestmöglich mit Situationen klarzukommen, wie sie sind. Es hilft nicht, unnötig Energie zu verschwenden, in Sachen, die ich nicht ändern kann. Also das Beste aus der Situation machen und da 100 Prozent investieren. Das hat mir übrigens auch extrem in der Coronazeit geholfen. Situationen annehmen und das Positive mitnehmen, als sich zu lange mit dem negativen zu beschäftigen.“

Sebastian: „Wann war der Punkt als du dich für den Leistungssport bzw. für eine professionelle Karriere entschieden hast? Was war der Auslöser bzw. Grund?“

Franziska: „Mit dem Wechsel zur Eliteschule des Sports im Alter von 10 Jahren habe ich mich für den Leistungssport entschieden. Ich war fast immer in der Situation, dass ich vorne mitgeschwommen bin im Jugendbereich. Und ich wusste, wenn ich mich weiterentwickeln will, muss ich den Schritt der Eliteschule des Sports gehen. Der Schritt in eine wirklich professionelle Karriere kam mit dem Eintritt in die Sportfördergruppe der Bundeswehr nach meiner abgeschlossenen Berufsausbildung. Ich war immer erfolgshungrig und wollte die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit immer weiter nach oben verschieben.“

Sebastian: „Darf ich fragen, wo dieser Hunger herkam?“

Franziska: „Das kann ich gar nicht genau beantworten. Ich hatte einfach jeden Tag Spaß am Schwimmen und an mir und meiner Leistung zu arbeiten. Keine Leistungssteigerung war für mich ausreichend und ich wollte immer noch besser werden. In den letzten Jahren meiner aktiven Karriere wurde es natürlich immer schwieriger, aber auch da hat mich die Suche nach jeder Hundertstel immer gereizt.“

Sebastian: „Was machst du morgens, um gut in einen Tag zu starten?“

Franziska: „Ich bin ein Morgenmensch und kann immer sehr leicht in den Tag starten. Außer einer Tasse Kaffee am Morgen habe ich keine weiteren Routinen. Wenn es mein Zeitplan zulässt, gehe ich gerne morgens an die frische Luft für einen Spaziergang.“

Sebastian: „Welcher Spruch, Buch oder Mensch hat dich am meisten beeinflusst auf deinem Weg?“

Franziska: „Einer meine damaligen Trainer hat mich sehr geprägt, auf Grund seiner Leidenschaft zum Schwimmsport und seinem Einsatz in seiner Arbeit im Hochleistungssport. Er lebt die Professionalität seinen Sportlern vor, die es braucht, um erfolgreich zu sein. Ich denke, es braucht diese Hingabe, um erfolgreich zu sein.“                 

Sebastian: „Wie suchst du dir deinen Ausgleich zum Sport? War das immer so oder hat sich das im Laufe der Zeit verändert?“

Franziska: „Je nach dem, wie viel Zeit ist und in welcher Phase der Saison wir uns befinden, unterscheidet sich das etwas. Wenn die Zeitfenster kürzer sind, suche ich die Natur, um einfach spazieren/ wandern zu gehen und versuche so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie zu verbringen. Wenn etwas mehr Freiraum ist (z. B. in der Sommerpause), habe ich das Reisen für mich entdeckt und will die Welt kennenlernen.“

Sebastian: „War das jeweils schon immer so oder hat sich das entwickelt? Wie war das zum Beispiel während deiner Athletin-Karriere?“

Franziska: „Das hat sich tatsächlich zum Teil geändert. Früher bin ich überhaupt nicht gerne zu Fuß unterwegs gewesen. Mittlerweile nutze ich es immer mehr als Ausgleich und versuche jeden Tag meine Kilometer an der frischen Luft zu sammeln. Die frische Luft tut sehr gut, um den Kopf vom Alltag wieder freizubekommen. Die Zeit mit der Familie ist auch etwas mehr geworden, vor allem an solchen Festtagen wie Weihnachten, wo ich jetzt nicht mehr zum Training muss. Das genieße ich sehr und kann so auch wieder etwas zurückgeben. Gereist bin ich schon immer sehr gerne, nur leider war die Zeit meistens zu kurz, um sich die Städte und Länder näher anzuschauen. Ich konnte mir aber immer einen Eindruck verschaffen und weiß jetzt, wo ich unbedingt noch einmal ohne Zeitdruck hinmöchte. Einige Ziele fehlen auch noch, die ich jetzt nachholen kann.“

Thema Fokus:

Sebastian: „Wodurch verlierst du den Fokus im Wettkampf oder Training? Fehlversuch eines Athlet*innen, Schiedsrichterentscheidung…?“

Franziska: „Bisher habe ich den Fokus wegen einem Training oder Wettkampf noch nie verloren. Der Fokusverlust kommt bei mir sehr selten vor; dann eher durch andere Störfaktoren wie unerledigte Aufgaben oder aktuelle Probleme im Verein/ Stützpunkt/ Verband.“

Sebastian: „Wie findest du dann wieder den Fokus? Gibt es ein Werkzeug, ein Verhalten oder Vorgehen, dass du da nutzt?“

Franziska: „Ich versuche meine Gedanken kurz zu notieren und damit den Störfaktor erstmal abzuhaken bzw. ihn beiseitezuschieben. Nach dem Training / Wettkampf kann ich mit Hilfe der Notiz dann meine Gedanken verarbeiten.“

Thema nach dem Wettkampf:

Sebastian: „Was machst du direkt nach dem Wettkampf? Wie bereitest du einen Wettkampf nach?“

Franziska: „Unmittelbar nach einem Rennen suche ich ein erstes kurzes Gespräch mit dem Sportler, um unser gegenseitiges Feedback auszutauschen. Danach geht der Fokus sofort auf das nächste Rennen.

Nach dem letzten Rennen am letzten Wettkampftag versuche ich den Wettkampf erstmal „beiseitezuschieben“ und ein paar Stunden nicht an den Sport/ Wettkampf zu denken. Am Folgetag analysiere ich den Wettkampf zuerst für mich und bespreche es anschließend mit den Sportlern.

Sebastian: „Wie lange denkst du noch an einen Wettkampf, nachdem er vorbei ist?“

Franziska: „Wenn ich einen Wettkampf für mich ausreichend ausgewertet habe, kann ich den Wettkampf schnell abhaken und der Fokus geht weiter auf die nächsten Aufgaben.“

Sebastian: „Wie gehst du mit einer Niederlage/ schlechten Wettkampf um? Gibt es etwas Systematisches?“

Franziska: „Für mich ist die Auswertung eines Wettkampfes sehr wichtig und hinterfrage mich anschließend, warum der Wettkampf so gelaufen ist. Dann ist es auch erstmal egal ob es gut oder schlecht war. Dabei hinterfrage ich immer meine eigene Arbeit und natürlich auch die Leistung des Athleten. Ich habe dann Fragen im Kopf wie: ‘Passt die Leistung zu meinem Training?‘, ‘Konnte der Sportler seine aktuelle Leistungsfähigkeit abrufen?‘, ‚Wie war die Zielumsetzung?‘…“

Thema Leadership:

Sebastian: „Wie gehst du mit Fehlern von Athlet*innen um? Hat sich dieser Umgang bei dir über die Jahre verändert?“

Franziska: „Das kommt auf den Fehler an. Wenn es ein Fehler ist, der zum ersten Mal auftritt, weise ich den Sportler darauf hin und gebe ihm einen Verbesserungsvorschlag an die Hand. Wenn es jedoch ein Fehler ist, der schon häufiger aufgetreten ist oder den der Sportler nicht abstellen kann, dann suche ich mit dem Sportler ein intensiveres Gespräch. Dabei versuchen wir herauszufinden, wo das Problem liegt bzw. warum der Fehler nicht abgestellt werden kann, und suchen nach Lösungen.“

Sebastian: „Hat sich dein Umgang damit verändert?“

Franziska: „Nein, der Umgang hat sich damit nicht verändert. „

Sebastian: „Was ist das Erste, was du machst, wenn du eine Mannschaft/einen Sportler übernimmst?“

Franziska: „Das Erste, was ich mache, wenn ich eine komplette Gruppe oder einen einzelnen Sportler übernehme, ist der Austausch von den gegenseitigen Erwartungen und die individuelle Zielabsprache. Dabei geht es nicht darum, ein Ziel zur formulieren, sondern auch den Weg zu beschreiben, wie ich diese Ziele (ggf. auch mit Zwischenzielen) erreichen kann.“

Sebastian: „Worauf legst du besonderen Wert bei der Beziehung zu einer Mannschaft/ einem Sportler?“

Franziska: „Für eine gute Zusammenarbeit zwischen Athlet und Trainer ist für mich Vertrauen und Ehrlichkeit von sehr großer Bedeutung. Wenn diese beiden Werte nicht gegeben sind, ist eine Zielerreichung fast unmöglich.“

Sebastian: „Was tust du, damit dein*e Athlet*in 100 % gibt?“

Franziska: „In erster Linie erhoffe ich mir, dass jeder Sportler, mit dem ich zusammenarbeite, schon 100 % Eigenmotivation mitbringt. Wenn dies noch nicht der Fall sein sollte, versuche ich ihn über mein eigenes Erlebtes zu packen. Denn nichts ist schöner als Ziele zu erreichen oder Erfolge zu feiern.“

Sebastian: „Wie bereitest du ein Feedback an einen Sportler im Training oder Wettkampf vor? Ist das spontan oder durchdacht? Wie gehst du vor?“

Franziska: „Durch den eng getakteten Zeitplan und der meistens hohen Anzahl der zu betreuende Sportler, sowohl im Training als auch im Wettkampf, ist das erste Feedback meistens kurz. Das größere Feedback erfolgt nach dem gesamten Wettkampf. Wir schauen uns gemeinsam an, was waren die Ziele für den Wettkampf und analysieren anschließend, wie diese Ziele erreicht und umgesetzt wurden. Dabei ist natürlich jedes Feedback gut durchdacht und zielgerichtet.“

Sebastian: „Wie wichtig ist dir Feedback durch deine Sportler? Wie holst du es gegebenenfalls ein?“

Franziska: „Das Feedback der Sportler ist mir sehr wichtig. Ich möchte, dass sich die Sportler selbst einschätzen lernen und mir nach einem Wettkampf oder einem Training sagen können, was sie umsetzen konnten und was noch nicht so gut gelungen ist.“

Sebastian: „Wie gehst du mit Kritik an dir um? War das schon immer so?“

Franziska: „Ich nehme Kritik grundsätzlich immer erstmal an. Natürlich hinterfrage ich die Kritik dann, ob sie berechtigt ist und versuche es, für mich zu verarbeiten. Mittlerweile versuche ich sachliche Kritik für mich als Potential und als weiteren Entwicklungsschritt zu sehen. Das hat sich in den letzten Jahren etwas geändert.“

Sebastian: „Und wodurch?“

Franziska: „Früher war Kritik für mich immer negativ und habe es oft persönlich genommen. Grundsätzlich will man immer nur das Beste für seinen Gegenüber, zumindest im Sport, so wie ich ihn kennengelernt habe in meinem Umfeld. Aber wann und wodurch der Sinneswandel entstanden ist, kann ich gar nicht sagen.“

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